Ein grundsätzlich gesunder, 58-jähriger Patient stellt sich mit Makrohämaturie vor. Was ich noch nicht weiß: Sein urologisch besonderer Fall wird mich den Großteil des Jahres begleiten.
Folgender Fall beschäftigte mich in diesem Jahr eine ganze Weile: Ein 58-jähriger Patient, diätetisch eingestellter Diabetes mellitus, ansonsten gesund, berichtete, er habe Pfingsten blutigen Urin bemerkt. Schmerzen oder Fieber bestanden nicht. Daraufhin stellte er sich in einem nahegelegenen Krankenhaus vor, wurde stationär aufgenommen und mit einem Spülkatheter versorgt. Nach der Entfernung des Spülkatheters kam es zu dysurischen Beschwerden im Sinne eines Harnwegsinfektes, der therapiert wurde. Dem Patienten wurde, nach Behandlung des Infektes, von den Kollegen zu einer Zystoskopie geraten.
Der Patient stellte sich dann Mitte Juni zur Zweitmeinung vor. Zu diesem Zeitpunkt bestanden erneut dysurische Beschwerden aufgrund eines Infektes mit 106 Escherichia coli. Die Zytologie des Urins zeigte keine Atypien, die körperliche Untersuchung und die Sonographie der Nieren waren bis auf blande Nierenzysten unauffällig. Im TRUS stellte sich eine 25 cm³ große Prostata mit Kalkeinlagerungen dar.
Die weitere vorgeschlagene Diagnostik bestand in einem CT bzw. MRT und einer Skopie, wobei der Patient letzterer skeptisch gegenüberstand. Die Bildgebung ergab als einzigen pathologischen Befund folgendes:
Hier stellte sich das Bild einer wohl superinfizierten Urachuszyste dar – allerdings ohne eindeutige Verbindung zum Blasenlumen. Trotzdem berichtete der Patient über rezidivierende geringe Blutbeimengungen im Urin und es kam erneut zum Aufflackern des Infektes, der wiederum resistenzgerecht therapiert wurde. Unter Kenntnis des MRT-Befundes konnte der Befund auch sonographisch dargestellt werden.
Nach Kontaktaufnahme mit dem örtlichen Krankenhaus wurde eine roboterassistierte operative Entfernung des Befundes vereinbart. Zuvor sollte eine Zystoskopie durch den Operateur erfolgen, um eine weitere Blutungsquelle auszuschließen bzw. eine mögliche Verbindung zur Urachuszyste beurteilen zu können. Die Skopie erfolgte 4 Wochen später und war unauffällig, der Befund sonographisch nicht mehr darstellbar und es erfolgte somit keine operative Revision. Da der Patient danach aber noch über zweimaligen kurzzeitigen Blutabgang berichtete, wurde nochmals ein MRT des Bereiches durchgeführt. Dies war vollkommen unauffällig. Seitdem (Mitte August) ist der Patient beschwerdefrei, es trat weder ein Infekt noch eine erneute Makrohämaturie auf.
Der Urachus ist der Rest des Allantoisgangs, einer beim Menschen nur vorrübergehend angelegten Ausstülpung für embryonalen Harn. Er verbindet den Dom der Harnblase mit der Nabelschnur, sollte vollständig obliterieren und in das Ligamentum umbilicale medianum übergehen.
Die Häufigkeit eines persistierenden Urachus wird sehr unterschiedlich angegeben. 1982 konnte in einer Reihenuntersuchung von 122 unselektionierten Autopsien bei gut 30 % der erwachsenen Verstorbenen Reste eines Urachus nachgewiesen werden. Demgegenüber ergab eine kanadische Auswertung von bildgebend gefundenen Urachusresten zwischen 2000–2012 bei Kindern unter 18 Jahren eine Prävalenz von 1 %. Die meisten Befunde waren Zufall, lediglich 61 von den gefundenen 721 Kindern wurden operiert, die Indikationen waren Flüssigkeitsaustritt aus dem Nabel, Schmerzen, eine tastbare Resistenz oder rezidivierende Harnwegsinfekte. Die Kollegen errechneten anhand ihrer Daten, dass man 5.721 Kinder prophylaktisch operieren müsste, um später ein Adenokarzinom zu vermeiden.
Im Gegensatz zur Literatur bei Kindern sind Erfahrungsberichte bei Erwachsenen nicht so häufig und agieren mit kleineren Zahlen. Die Häufigkeit eines Urachuskarzinoms (meist Adenokarzinome) wird mit 1 Patienten pro Million Einwohner und Jahr angegeben, ist also sehr selten. Gelingt im frühen Stadium eine vollständige Exzision, sind die Heilungschancen gut, ansonsten sehr schlecht.
Daher empfehlen manche Autoren die prophylaktische Entfernung beim Erwachsenen. Allerdings wurden in einer anderen Kohorte nur 8 von 45 Patienten (66 % davon symptomlos) operiert, hier waren 3 Malignome zu finden. Chinesische Autoren fanden bei 33 urachalen Raumforderungen 22 Malignome und 11 benigne Ursachen (Abszess, Zyste, Malakoplakie, Xanthogranulom). Als Risikofaktoren für eine maligne Entartung werden Hämaturie und Alter über 55 Jahre genannt, aber auch wiederkehrende Infektionen und Schleimproduktion des Nabels.
Wir werden unseren Patienten daher sowohl klinisch, als auch bildgebend weiter kontrollieren.
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