Man hat es schon das ganze Jahr kommen sehen und doch ist man überfordert – so mitten in der zweiten Welle. In der Apotheke kriegen wir es ganz gut hin. Privat herrscht größeres Chaos.
Es hat sich abgezeichnet, jetzt ist sie da, die zweite Corona-Welle – auch bei uns in der Schweiz. Und sie wird größer und übler als die erste. In der Apotheke merken wir das schon seit ein paar Wochen. Die Erkältungskrankheiten und Beschwerden kommen wieder.
Das bedeutet, dass sich die Leute wieder anstecken. Es war lange ruhig in die Richtung, ein Nebeneffekt der meist konsequent angewendeten Maßnahmen zur Vorbeugung von Covid-19. Nach den Sommerferien fingen die Leute offenbar an, nachzulassen. Vielleicht haben es ein paar auch mitgebracht von den Ferien? Ansteckungen erfolgten dann wohl vor allem zu Hause im Familien- und Freundeskreis. Und in der Schule oder am Arbeitsplatz gab man es dann weiter. Und so weiter und so fort.
Was die Apotheke als Arbeitsplatz angeht, fühle ich mich sicher. Unser Schutzkonzept funktioniert. Wir stecken uns nicht bei Kunden an und umgekehrt auch nicht. Wir haben immer noch die Plexiglasscheiben vor den Kassen. Wir tragen Hygienemasken (außer beim Essen und Trinken) rund um die Uhr. Wir halten Abstand in den Pausen und es dürfen nicht mehr als 2 Personen im Pausenraum sein. Wir waschen die Hände und desinfizieren die Oberflächen fast stündlich.
Dennoch hatten wir in den letzten Wochen Ausfälle. Mitarbeiter mit Symptomen, die wir zum Testen geschickt haben. Lehrlinge, die vom Kantonsarzt in die Quarantäne geschickt wurden, da ein Mitschüler positiv getestet wurde und sie zusammen Mittag gemacht haben ohne Maske. Aber wir hatten Glück – kein einziger Positiv-Fall bei uns.
Wenn ich es bekomme, dann auch via Familie. Entweder bringt es mein Mann aus seiner Werkstatt mit – bisher hat er noch ohne Maske gearbeitet. Oder Junior aus der Schule bringt es mit. Dort haben sie zwar auch ein Sicherheitskonzept, doch das ist bei Kindern sowieso notgedrungen löchrig. Im Klassenzimmer sitzen sie ohne Masken recht nahe nebeneinander. Oder saßen. Das ändert sich jetzt.
Die stetigen Nachrichten aus der Schule mit Corona-Updates und Informationen machen immer weniger Freude:
„In der Klasse Ihres Kindes wurde ein Schüler positiv auf COVID-19 getestet. Auf Anordnung des kantonsärztlichen Dienstes befindet er sich in Isolation und es geht ihm den Umständen entsprechend gut. In Absprache mit dem kantonsärztlichen Dienst besteht aktuell kein weiterer Handlungsbedarf. Für Ihr Kind bedeutet das, dass es wie gewohnt zur Schule kommt.“
Keine Info dazu, wer es war, aber das ist durchgesickert. Ebenso die Info, dass das Kind wegen der Beschwerden zum Testen gegangen ist – und der Kantonsarzt es nach dem Testen und vor dem Ergebnis in die Schule geschickt hat. Entspricht definitiv nicht den vorgeschriebenen Maßnahmen.
Daraufhin ist der Eltern-Whatsapp-Chat kurz explodiert mit „Weshalb hat man ihn nicht zu Hause behalten?“ „Weshalb werden die anderen Mitschüler jetzt nicht alle auch getestet?“ Und fast natürlich mit der Covid-zweifelnden Mutter, die erklärte: „Notabene, der PCR-Test kann MAXIMAL eine Sequenz eines Erregers feststellen, aber NICHT, dass der Erreger sich im menschlichen Körper vermehrt!!! Somit sind die angeblich positiv infizierten, lediglich Test-positive Personen! Daher verstehe ich den ganzen Wahnsinn nicht.“
Kann ich natürlich so nicht stehen lassen, darum hab ich’s ihr – und dem Rest der Gruppe – gerne erklärt. Damit man die Sequenz feststellen kann, braucht es eine gewisse Menge, und das bedeutet, dass sich das Virus stark vermehrt hat.
Und da man aktuell nur testet, wenn man schon Symptome hat – ja, dann ist man wohl krank. Dass von den positiv Getesteten etwa 5 % im Spital landen und von denen 20 % auf die Intensivstation und 50 % davon wiederum intubiert werden müssen und davon etwa die Hälfte dann stirbt. Dass wir von den langfristigen Schäden, eventuell auch bei leichter Covid-Infektione, immer noch nur wenig wissen.
Wen es interessiert, wie man solche Falschaussagen und auch Pseudo-Fragen beantworten kann, der findet hier eine gute Übersicht.
Die Reaktion darauf war (natürlich): „Jeder nimmt die Tatsachen so wahr, wie er möchte und bildet sich die eigene Meinung dazu, deshalb ist jede Diskussion darüber überflüssig.“
In der Zwischenzeit kamen nach dem Wochenende erst 3, dann 4 Kinder nicht in die Klasse, ob wegen Symptomen oder vorsichtiger Eltern, ist natürlich nicht bekannt. Meiner ging hin. Inzwischen tragen sie auch im Klassenzimmer Masken. Bis er dann am Mittwochabend Halsschmerzen bekam und dezent Temperatur (37.8 °C). Da das am Donnerstag nicht weg war, ist mein Mann mit ihm Testen gegangen.
Ebenfalls Donnerstag (abends) kam dann diese Nachricht: „Aufgrund eines zweiten positiven Corona-Falles in der Klasse Ihres Kindes hat der kantonsärztliche Dienst verfügt, dass sich alle Schülerinnen und Schüler bis Montag in häusliche Quarantäne begeben müssen. Ihr Kind darf während dieser Zeit die Wohnung/das Haus nicht verlassen! Dies gilt auch für das Wochenende. Versuchen Sie auch innerhalb der Familie, den direkten Kontakt zu vermeiden. Morgen, Freitag und am Montag findet Fernunterricht statt. (Lehrer) informiert die Schülerinnen und Schüler darüber. Sollte Ihr Kind in den kommenden Tagen Symptome entwickeln (krank werden), nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit einem Arzt (Kinderarzt oder Hausarzt) auf und informieren sie (Lehrer) entsprechend.“
Alles klar. Als Eltern der betroffenen Kinder darf man trotzdem weiterarbeiten. Allerdings verzichte ich lieber darauf, meinen 80-jährigen Papa im Spital zu besuchen, in das er am Dienstag wegen eines Unfalls zu Hause kam. Oder meine Mama, die jetzt alleine zu Hause ist.
Donnerstag morgen war hart. Ich war in der Apotheke arbeiten, Junior mit meinem Mann am Test machen und mein Papa im Spital, frisch operiert und unwillig, zu bleiben. Daneben vorbereiten, was ich mache, wenn Junior positiv getestet wird – dann darf ich nämlich auch nicht mehr arbeiten. Und so üppig sind wir nicht besetzt in der Apotheke, dass man einen 10 Tages-Ausfall mal eben so easy kompensiert.
Mir ist schon klar, dass das wohl kommt. Es ist dasselbe Problem wie im Spital mit dem Pflegepersonal. Und dann? Was, wenn mein Mann es bekommt? Er ist etwas älter als ich, nimmt Blutdruckmedikamente und könnte ein paar Kilo weniger wiegen. Er ist gefährdeter. Und ich muss ihn schicken, um Junior testen zu lassen.
Am Freitagmorgen dann die Entwarnung: Junior ist negativ getestet worden. Puh!
Ich durfte Freitag und Samstag arbeiten. Aktuell hat Junior Schule via Computer. Mal sehen, wie es morgen aussieht.
Covid kommt definitiv näher, nein – es ist da. Gibt es hier überhaupt noch jemanden, der nicht jemanden kennt, der es hat oder hatte? Und wie? Seid froh und dankbar, wenn es nur leichte Beschwerden sind. Ich bin es für jeden. Und ich will es trotzdem, auch in leichter Ausprägung, nicht bekommen.
Bildquelle: Tim Marshall, unsplash