Der Natrium-Iodid-Symporter dient als Grundlage für ein Therapiekonzept, das die Anwendung von Radioiod in Bildgebung und Behandlung von Tumoren auch außerhalb der Schilddrüse ermöglicht. Forscher untersuchen, ob Hitze den Effekt zusätzlich verstärkt.
Der Natrium-Iodid-Symporter (NIS) ist ein Transportprotein in den Zellen der Schilddrüse, das die aktive Iodaufnahme in die Schilddrüse vermittelt. Dieser Iodtransporter bildet die Grundlage der diagnostischen sowie therapeutischen Anwendung von Radioiod (131I), die bei der Behandlung und Nachsorge von Schilddrüsenkrebs eine zentrale Rolle spielt.
In den vergangenen Jahren wurde nicht zuletzt auf dem Boden der Pionierarbeiten von Prof. Christine Spitzweg, Oberärztin für den Fachbereich Endokrinologie sowie Leiterin des Interdisziplinären Schilddrüsenzentrums am LMU Klinikum München, ein neues Gentherapiekonzept entwickelt, welches auf dem gezielten Transport von NIS in das tumortragende Bindegewebe (Tumorstroma) mittels der spezifischen Wanderung mesenchymaler Stammzellen (MSC) als Transportvehikel beruht.
Dieser Gentherapieansatz ermöglicht die Anwendung von Radioiod in der Bildgebung sowie Behandlung von Tumoren auch außerhalb der Schilddrüse. „Dadurch eröffnet sich die Perspektive, auch bei anderen Krebsarten die Radioiodtherapie einzusetzen, die ein schon zugelassenes und sicheres Therapieverfahren mit nur geringen Nebenwirkungen darstellt und seit nun 80 Jahren mit großem Erfolg und viel Erfahrung in der Behandlung von Schilddrüsenkrebs angewendet wird“, erklärt Spitzweg die Bedeutung dieses Gentherapieansatzes.
Das tumortragende Bindegewebe spielt eine Schlüsselrolle für Wachstum und Metastasierung eines Tumors sowie für die Bildung von tumorversorgenden Blutgefäßen. Aus dem Knochenmark isolierte mesenchymale Stammzellen werden nach Injektion in die Blutbahn selektiv in Tumoren rekrutiert und entwickeln sich dort in blutgefäßbildende Zellen und andere Zellen des Tumorstromas. „Genetisch veränderte mesenchymale Stammzellen stellen damit ideale tumorspezifische Vehikel dar, die auch nach Injektion in die periphere Blutbahn den gezielten Transport von Therapiegenen in Tumoren und ihre Metastasen erlauben“, erläutert Peter Nelson von der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV die Forschungserkenntnisse seiner Arbeitsgruppe.
In enger Kooperation gelang es den beiden Arbeitsgruppen, aufbauend auf einem früheren Forschungsprojekt, das Potenzial genetisch veränderter MSC für den tumorselektiven Transport des NIS-Gens zu zeigen, der die effektive Anwendung von Radioiod für die Bildgebung sowie Therapie bei Tumoren auch außerhalb der Schilddrüse erlaubt.
Dabei wurden MSC genetisch so verändert, dass sie NIS auf ihrer Oberfläche tragen. Nach Injektion in die periphere Blutbahn werden die MSC und damit auch NIS spezifisch in den Tumor und seine Metastasen rekrutiert, was die Anwendung von Radiojod für die Bildgebung und Behandlung dieser Tumoren erlaubt.
Um die Wirksamkeit der MSC-basierten NIS-Gentherapie zu optimieren, untersuchten die Münchner Wissenschaftler im aktuellen Forschungsprojekt deren Kombination mit einer bereits langjährig erfolgreich in der Tumortherapie angewandten Hitzebehandlung (Hyperthermie). Die Hyperthermie zielt darauf ab, die Freisetzung von Entzündungsmediatoren im Tumor zu erhöhen, die bei der Wanderung von MSCs zum Tumor eine zentrale Rolle spielen.
In Zellkulturarbeiten konnten die Wissenschaftler in Leberkarzinomzellen zeigen, dass eine Hitzebehandlung der Tumorzellen die Freisetzung einer Reihe von Entzündungsmediatoren erhöht, was zu einer deutlich erhöhten Wanderung der MSC hin zu Hitze-vorbehandelten Tumorzellen führte. Dies wurde auch im Mausmodell bestätigt, wo nach der Hyperthermiebehandlung der Lebertumoren die vermehrte MSC-Wanderung in die Tumoren durch die NIS-vermittelte Radioiod-Bildgebung demonstriert und eine Steigerung des Therapieeffekts von Radioiod gezeigt werden konnte. Diese Arbeiten wurden im Journal Molecular Therapy publiziert.
In einer weiteren Untersuchung setzte das Forscherteam die Hitzebehandlung des Tumors ein, um die Bildung und Verankerung von NIS auf der MSC-Oberfläche zu stimulieren. „Im Tiermodell konnten wir in Lebertumor-tragenden Mäusen zeigen, dass durch eine spezifische genetische Manipulation der mesenchymalen Stammzellen die Bildung von NIS durch eine Behandlung des Tumors mittels Hyperthermie verstärkt werden kann“, erläutert Spitzweg. Dies konnte mittels NIS-basierter Radioiod-Bildgebung im Tiermodell nicht nur bildlich dargestellt werden, sondern führte in einem Therapieversuch auch zu einer deutlichen Steigerung des Therapieeffekts von Radioiod.
Zur vollständigen Pressemitteilung der Wilhelm Sander-Stiftung geht es hier. Zu den Studien kommt ihr hier und hier oder über die Links im Text.
Bildquelle: Chris Rhoads, Unsplash