Die schädliche Wirkung von Milchsäure zu neutralisieren und sie sogar als Treibstoff für T-Zellen einzusetzen – das ist Forschern der Universität Freiburg gelungen. Sie erhoffen sich davon ein Mittel gegen Leukämie.
Die akute myeloische Leukämie (AML) ist die häufigste Blutkrebsform bei Erwachsenen – und schwer zu therapieren. Selbst nach einer Stammzelltransplantation kehrt die Erkrankung bei der Hälfte aller Betroffenen zurück. Nun konnten Forscher des Universitätsklinikums Freiburg in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik zeigen, dass die Tumorzellen mithilfe von Milchsäure die körpereigene Immunantwort ausbremsen und wie Natriumbicarbonat (NaBi) diese Blockade in Treibstoff für die Bekämpfung der Tumorzellen umwandelt. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin Science Translational Medicine.
„Wir konnten Ergebnisse aus der Grundlagenforschung sehr direkt zugunsten der Patient*innen nutzbar machen. Das ist sehr begeisternd zu erleben“, sagt Studienleiter Prof. Robert Zeiser, der die Abteilung für Tumorimmunologie an der Klinik für Innere Medizin I – Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Freiburg leitet. In umfangreichen Laborversuchen wiesen die Wissenschaftler nach, dass die Tumorzellen bei AML große Mengen an Milchsäure produzieren und an ihre Umgebung abgeben. Die Säure verändert den Zellstoffwechsel der T-Zellen und verhindert dadurch eine effektive Vermehrung der Immunzellen sowie eine aggressive Anti-Tumor-Antwort.
Im Mausmodell belegten die Forscher, dass sich die Wirkung der Milchsäure mithilfe des Stoffwechselprodukts NaBi umkehren lässt: „Natriumbicarbonat neutralisiert die schädliche Wirkung der Milchsäure und wandelt sie sogar in einen Energielieferanten für die T-Zellen um. So werden diese für die Bekämpfung der Tumorzellen fit gemacht“, erklärt Erstautorin Franziska Uhl, die die Studie im Rahmen ihrer naturwissenschaftlichen Doktorarbeit in Zeisers Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum Freiburg anfertigte.
Dieser Effekt zeigte sich ebenfalls bei stammzelltransplantierten Patienten mit wiederkehrender AML, die Zeiser und sein Team im Rahmen einer Studie mit NaBi behandelten. NaBi ist eine natürliche Base, die für Patienten mit schwerer AML bei einer Störung des Säure-Basen-Haushalts bereits als Medikament zugelassen ist. Ihre Wirkung wurde jedoch bisher nicht in Verbindung mit einer Immuntherapie untersucht. „Der Stoffwechsel der T-Zellen verbesserte sich durch die Behandlung deutlich“, berichtet Zeiser. „Wir gehen davon aus, dass so eine effektive Bekämpfung der Tumorzellen möglich wird. Wie stark sich das Befinden der Patient*innen dadurch langfristig verbessert, müssen weitere Studien zeigen.“
Aufmerksam auf den Zusammenhang zwischen dem Stoffwechsel und der Vermehrung und Leistungsfähigkeit bestimmter Immunzellen wurden Zeiser und sein Team durch die Arbeit der Wissenschaftler am Freiburger Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik. „Die Ergebnisse unserer Kooperationspartner*innen inspirierten uns, den T-Zell-Stoffwechsel von Patient*innen mit wiederkehrender AML genauer unter die Lupe zu nehmen“, so Zeiser.
Nun sollen weitere Studien folgen, die neben der Auswirkung der NaBi-Behandlung auf das langfristige Überleben der Patienten auch die Kombination des Stoffwechsel-Boosters in Verbindung mit anderen Immuntherapien untersuchen.
Zur Pressemitteilung des Universitätsklinikums Freiburg geht es hier. Zur Studie kommt ihr hier und über den Link im Text.
Bildquelle: Paweł Czerwiński, Unsplash