Zur Antikörper-Prävalenz der Menschen in Großbritannien gibt es neue Erkenntnisse. Von rund 365.000 Erwachsenen wurden dazu Daten erfasst und ausgewertet.
Wie hoch ist die Prävalenz neutralisierender Antikörper in der Bevölkerung Großbritanniens? Dieser Frage ging Helen Ward nach. Sie ist Professorin für Public Health am Imperial College London. Ihre Ergebnisse liegen nun vor – bisher als Preprint.
Helen Ward und ihr Team kontaktierten zwischen Ende Juni und September 2020 zufällig ausgewählte Bürger Großbritanniens – in insgesamt 3 Runden. Ihr Ziel war es, in den ersten beiden Runden je 100.000 Probanden zu gewinnen und in der dritten Runde 150.000. Jede Person konnte nur einmal an der Studie teilnehmen.
Wer sich dazu bereiterklärte, bekam neben einem Fragebogen auch einen Lateral-Flow-Immunoassay-Test zum Nachweis von IgG-Antikörpern. Die Untersuchung führten Probanden selbst durch. Das mag ein Pluspunkt sein, um mehr Teilnehmer zu gewinnen, kann aber auch bei Laien zu Anwendungsfehlern führen. Insgesamt konnten Ward und ihre Koautoren Daten von 365.104 Erwachsenen auswerten.
In allen drei Runden gab es insgesamt 17.576 positive Tests. Die Antikörperprävalenz sank von 6,0 Prozent (Runde eins) auf 4,8 Prozent und weiter auf 4,4 Prozent, was einem Rückgang um 26,5 Prozent gemittelt über die Studiendauer entspricht.
In der jüngsten Gruppe zwischen 18 und 24 Jahren fiel der Effekt geringer aus (minus 14,9 Prozent), während sich die Titer bei Personen der ältesten Gruppe „75+“ besonders stark verringerten (minus 39,0 Prozent). Der Rückgang war bei Patienten mit dem Krankheitsbild COVID-19 besonders ausgeprägt (minus 64,0 Prozent), verglichen mit Probanden, bei denen es lediglich ein positives Resultat der RT-PCR gab (minus 22,3 Prozent).
Bei der Interpretation der Resultate bleiben Ward und Kollegen recht vage. Im Artikel schreiben sie: „Die Prävalenz und Persistenz von Antikörpern nach einem Maximum an SARS-CoV-2-Infektionen gibt Aufschluss über deren Ausbreitung in der Bevölkerung, über die Wahrscheinlichkeit einer Reinfektion und über das Potenzial für ein gewisses Maß an Immunität.“
Ende Oktober haben auch Jeffrey Seow vom King’s College London und Kollegen eine Studie mit Daten zum zeitlichen Verlauf der Immunreaktion veröffentlicht, die sich vom Design her grundlegend unterscheidet. Seows Kohorte umfasste nur 65 Patienten, bei denen bis zu 94 Tage nach Auftreten der Symptome Blut entnommen wurde.
Generell fanden sie eine Kinetik, wie sie von Infektionen aller Art bekannt ist – mit einem Peak der neutralisierenden Antikörper direkt nach der Infektion und mit langsam abnehmenden Titern. Der Maximalwert war vom Verlauf der Erkrankung abhängig. Personen mit schwerer COVID-Erkrankung und initial hohen Titern hatten auch nach 60 oder mehr Tagen nachweisbare Antikörper im Blut; ein Rückgang wurde auch hier beobachtet. Bei niedrigen Ausgangswerten verringerte sich der Titer mit der Zeit auf das Maß vor der Infektion.
Was für die Studie von Ward et al. spricht, ist ihre große Kohorte. Fragen zur Immunität kann sie allerdings nicht ansatzweise beantworten „Auch wenn erste Ergebnisse auf einen teilweisen Verlust von neutralisierenden Antikörpern bei COVID-19-Patienten hinweisen, heißt das noch lange nicht, dass dies mit einem Verlust der Immunität gegenüber dem Virus einhergeht“, hatte Prof. Dr. Clemens Wendtner im Juli 2020 zu ähnlichen Fragen gesagt. Er ist Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen an der München Klinik Schwabing.
Bislang wurden insgesamt bloß 5 Fälle einer SARS-Cov-2-Reinfektion dokumentiert. Die Dunkelziffer mag höher sein – aber nach jetzigem Stand hat das Phänomen wenig Relevanz.
Bildquelle: King's Church International/Unsplash