Deutschlands Pädiater verordnen Antibiotika immer noch zu wenig zielgerichtet - mit fatalen Folgen. Es geht aber nicht nur um Resistenzen. Forscher fanden heraus, dass nach häufigen Therapien in jungen Jahren das Risiko einer juvenilen idiopathischen Arthritis deutlich steigt.
In Deutschland verordnen Kinderärzte Antibiotika zunehmend vorsichtiger, fand das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) heraus. Die schlechten Nachrichten: In manchen Regionen zücken Pädiater immer noch zu häufig den Rezeptblock. Teilweise schreiben sie Pharmaka auf, die nur bei schweren Infektionen zum Einsatz kommen sollten. Jetzt berichten Wissenschaftler von bislang kaum beachteten Folgen dieser Pharmakotherapie.
Forscher befassen sich schon seit Jahren mit der Frage, ob Antibiotika vielleicht Autoimmunerkrankungen triggern – schließlich verändert sich das körpereigene Mikrobiom. Daniel Horton aus New Brunswick, New Jersey, ist jetzt fündig geworden. Über The Health Improvement Network (THIN) hatte er Zugriff auf Diagnosen von 450.000 Kindern. Von ihnen hatten 152 eine juvenile idiopathische Arthritis (JIA), ohne dass es offensichtliche Gründe oder Vorerkrankungen gab. Das Leiden tritt nicht häufig auf; unter 100.000 Kindern sind gerade einmal 20 bis 30 Fälle zu finden. Horton ließ nicht locker und kam auf eine mögliche Fährte. Patienten mit JIA hatten in früheren Jahren doppelt so häufig Antibiotika eingenommen wie gesunde Altersgenossen ohne diese Pharmakotherapie.
Bleibt als Kritik: Fall-Kontroll-Studien beweisen keinen kausalen Zusammenhang. Was für Daniel Hortons Vermutung spricht, ist die Dosis-Wirkungs-Beziehung: Verschrieben Pädiater ihren kleinen Patienten fünf oder mehr Antibiotikatherapien, erkrankten sie sogar drei Mal häufiger an der Autoimmunerkrankung. Teilweise vergingen zwischen Therapie und Ausbruch weniger als zwölf Monate. Virustatika oder Antimykotika zeigten keinen Effekt. Jetzt ist es an der Zeit, weitere Untersuchungen durchzuführen. Wissenschaftler spekulieren, dass Antibiotika nicht allein schuldig im Sinne der Anklage sind. Vielmehr könnten Gen-Umwelt-Interaktionen zum Ausbruch der JIA führen. Je früher Ärzte und Apotheker Risikofaktoren kennen, desto gezielter könnten sie Pharmakotherapien durchführen.