Der Verzehr großer Mengen von Natriumchlorid kann das Risiko für die Entstehung einer Hypertonie erhöhen. Eine aktuelle Studie zeigt nun, wie ein neuer Therapieansatz greifen könnte.
In Deutschland weist fast jeder dritte Erwachsene eine arterielle Hypertonie auf. Bei den über 60-Jährigen ist im Durchschnitt sogar jeder Zweite von erhöhten Werten betroffen und hat damit ein deutlich erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen (insbesondere Gefäßverkalkungen/Atherosklerose). Besonders gefürchtete Folgeerkrankungen sind Herzinfarkt und Schlaganfall, aber jahrelanger Bluthochdruck kann auch zum Versagen der Nieren oder zur Erblindung führen.
Schon lange ist bekannt, dass der Konsum von zu hohen Mengen Kochsalz (Natriumchlorid) das Risiko für die Entstehung einer Hypertonie erhöhen kann. Salzige Speisen erzeugen Durst, außerdem bindet Salz Wasser im Körper. Dadurch steigt im Blutkreislauf das Flüssigkeitsvolumen an — und somit auch der Druck in den Blutgefäßen. Eine Abhängigkeit von Salzkonsum und Blutdruck besteht nicht bei allen Menschen, aber bei vielen. Ursächlich sind eine spezielle genetische Veranlagung (Salzsensitivität), aber auch zusätzliche Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Nierenleiden oder Störungen im vegetativen Nervensystem.
Patienten mit einem salzsensitiven Bluthochdruck weisen typischerweise eine erhöhte Aktivität des Sympathikus auf, ihre Nieren halten zu viel Salz zurück, anstatt es mit dem Urin auszuscheiden (renale Natriumretention). Der Neurotransmitter Noradrenalin aktiviert die Alpha-Rezeptoren der Blutgefäße, was deren Vasokonstriktion bewirkt und so den Blutdruck steigert.
Man weiß außerdem, dass Noradrenalin den renalen Natrium-Chlorid-Cotransporter (NCC) in den Zellmembranen der Nierentubuli stimuliert, so dass vermehrt Natrium aus dem Urin zurück in das Blut transportiert wird. Der genaue Mechanismus, wie Noradrenalin die renale Natriumretention beeinflusst, ist jedoch nicht geklärt. Studien zur Erforschung der Adrenalin- oder Noradrenalin-gesteuerten Signalwege des sympathischen Nervensystems, die die NCC-Aktivität regulieren, zeigten bisher keine einheitlichen Ergebnisse.
Die bekannte blutdrucksenkende Wirkung von Alpha-Blockern besteht in der Gefäßdilatation. In der nun vorliegenden Studie konnte erstmals gezeigt werden, dass Alpha1-Adrenorezeptor-Blocker zusätzlich die Aktivität des Natrium-Wiederaufnahmeprozesses reduzieren und auch über diesen Weg den Blutdruck senken. In ihrer Arbeit verwendeten die Forscher selektive Alpha1-Rezeptor-Blocker, um zu untersuchen, ob die Noradrenalin-abhängige NCC-Aktivierung bei einem salzsensitiven Rattenstamm über einen Alpha1-Rezeptor-abhängigen Signalweg vermittelt wird.
Über die Nahrung wurde die Salzzufuhr der Tiere erhöht, woraufhin die NCC-Aktivität und -Expression signifikant zunahmen und sich ein Bluthochdruck entwickelte. Durch die Behandlung mit Alpha1-Rezeptor-Blockern kam es zur Absenkung des Blutdrucks — vermittelt durch eine Verminderung der NCC-Aktivität und der NCC-Expression (d. h. geringere NCC-Zahl auf den Zellmembranen), wodurch die renale Salzretention verhindert wurde. Die Alpha1-Rezeptor-Blocker waren effektiv sowohl bei der Gabe vor Start hoher Salzzufuhr als auch bei bereits ausgebildeter salzsensitiver Hypertonie. Detaillierte molekulare Analysen ergaben, dass bei der salzsensitiven Hypertonie (im Gegensatz zu Rattenstämmen mit salzresistenter Normotonie) eine Störung des Enzyms WNK-Kinase 1/4 vorliegt bzw. eine Fehlfunktion des WNK/SPAK/OxSR1-Signalweges, der die NCC-Aktivität reguliert.
„Diese Forschungsergebnisse zeigen, wie komplex die Pathomechanismen und Zusammenhänge von sympathischem Nervensystem und der Nieren bei der Hypertonieentstehung sind“, kommentiert Prof. Ulrich Wenzel, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga (DHL). „Auch wenn die genauen Pathomechanismen noch nicht geklärt sind, scheinen selektive Alpha1-Rezeptor-Blocker zielgerichtet die salzsensitive Hypertonie unterbinden zu können. Bestätigen sich diese tierexperimentellen Befunde in klinischen Studien wäre das von großer praktischer Relevanz“, so der Experte weiter. Denn diese Medikamente könnten bei Patienten mit therapierefraktärer Hypertonie den Teufelskreis durchbrechen und zu normalen Blutdruckwerten führen.
„Bislang haben wir nur die Möglichkeit, diesen Patienten zu empfehlen, die Kochsalzzufuhr auf ein Minimum zu begrenzen, was aber u. a. auch wegen ‚verstecktem Salz‘ in vielen Lebensmitteln alles andere als einfach umzusetzen ist. Eine zielgerichtete Therapie bei salzsensitiver Hypertonie würde dazu beitragen, dass wesentlich mehr Patienten mit ihren Blutdruckwerten in den Zielbereich gebracht werden könnten und weniger Folgeerkrankungen erleiden.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Hochdruckliga. Die Studie haben wir euch auch im Beitrag verlinkt.
Bildquelle: Jason Tuinstra, Unsplash