Schwere COVID-19-Verläufe ähneln dem Pathomechanismus eines systemischen Lupus erythematodes. Die Erkenntnis könnte sich auf die Therapie von Corona-Patienten auswirken.
Eine aktuell in Nature Immunology erschienene Arbeit stellt eine interessante Hypothese auf: So komme es bei schweren COVID-19-Verläufen zur gleichen Aktivierung von B-Zellen und Autoantikörperbildung wie bei Patienten mit akuten Schüben des systemischen Lupus erythematodes (SLE). Publiziert wurde die Studie von einer US-amerikanischen Arbeitsgruppe.
Das wirft die Frage auf, ob der Einsatz von zielgerichteten immunmodulatorischen Therapien, die beim SLE eingesetzt werden, auch bei schweren COVID-19-Erkrankungen erfolgversprechend sein könnten.
SLE ist eine chronisch-entzündliche, meistens schubförmig verlaufende Autoimmunerkrankung mit zum Teil lebensbedrohlichen Verläufen. Es kommt zu Manifestationen an verschiedenen Organen wie Haut, Lunge, Herz, ZNS, Muskeln/Gelenke – und den Nieren. Zu einer Nierenbeteiligung kommt es fast in drei von vier Fällen, man spricht dann von Lupus Nephritis. Viele der SLE-Patienten werden daher von Nephrologen betreut bzw. zumindest mitbetreut.
Die Nierenbeteiligung bei SLE ist prognosebestimmend, es kann zum Nierenversagen kommen, so dass die Betroffenen eine regelmäßige Dialysebehandlung benötigen. SLE-Patienten mit Nierenentzündung haben aber auch ein erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheiten, Schlaganfälle und sogar für Krebs, insbesondere für sogenannte B-Zell-Lymphome.
Der aktuellen Arbeit zufolge liegt bei schwerkranken COVID-19-Patienten der gleiche Pathomechnaismus zugrunde. Es kommt bei diesen Patienten ebenfalls zu einem Anstieg von autoantikörperbildenden Zellen, den sogenannten extrafollikulären CD19+-B-Zellen sowie zu deren Aktivierung zu Antikörper-sezernierenden Zellen wie bei SLE Patienten.
Somit zeigen diese Daten, dass es sowohl bei COVID-19-Erkrankten als auch bei SLE-Patienten zu einer mangelhaften B-Zell-Toleranz kommt, was dann in einem Anstieg von autoreaktiven Autoantikörpern resultiert.
Welche Rolle diese Autoantikörper bei Vorliegen einer COVID-19-Erkrankung einnehmen, ist Gegenstand weiterer Untersuchungen. Dass diese Autoantikörper relevant sein können, zeigen Daten, die unter anderem eine Korrelation zwischen der Schwere der COVID-19-Erkrankung und Antiphospholipid-Antikörper zeigen konnten.
Auch klinisch gibt es einige interessante Parallelen: Eine wegweisende Studie aus Deutschland deutete darauf hin, dass eine frühe Nierenbeteiligung (Proteinurie und/oder Hämaturie) bei COVID-19 prognosebestimmend sein könnte – bei SLE ist die Nierenentzündung ebenfalls prognosebestimmend.
„Bestätigen sich diese aktuell in Nature publizierten Daten und liegt der gleiche Pathomechanismus bei schweren COVID-19-Verläufen wie bei einem akuten SLE vor, stellt sich die Frage, ob auch bei der neuartigen Infektionskrankheit zielgerichtete immunmodulatorischen Therapien, die beim SLE eingesetzt werden, erfolgversprechend sein könnten.
Zum SLE befinden sich verschiedene Biologicals in klinischen Studien – ein spezifischer monoklonaler Antikörper (Belimumab) hat sich bereits als erfolgreich erwiesen und ist in Deutschland für die Behandlung des SLE zugelassen,“ erklärt Professor Dr. Julia Weinmann-Menke, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN). „Hier liegt ein weites Forschungsfeld offen, doch es lässt sich schon jetzt festhalten: COVID-19 ist häufig eine Erkrankung mit Nierenbeteiligung und die Nierenheilkunde kann innovative Ansätze für die Entwicklung effektiver Therapien liefern, die angesichts einer neuen großen Infektionswelle dringend gebraucht werden.“
Dieser Text beruht auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DGfN).
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