Spitze Zähne, schlecht sitzende Kronen oder Parodontitis: Viele Faktoren erhöhen das Risiko maligner Erkrankungen im Mundbereich. Gehen Patienten also regelmäßig zur Prophylaxe, retten sie nicht nur ihre Zähne, sondern verringern auch das Risiko, an Tumoren zu erkranken.
Rauchen, Alkohol und ein niedriger sozioökonomischer Status erhöhen besonders in Kombination das Risiko für Oropharynx- und Larynxkarzinome. Bisher war nicht klar, welche Rolle zahnmedizinische Störfaktoren spielen. Jetzt liegen einige Studien vor, die zumindest Hinweise auf einen Zusammenhang geben.
Forscher nahmen mit der ARCAGE-Studie [Paywall] (Alcohol-Related Cancers and Genetic-susceptibility in Europe) verschiedene Krebsrisiken unter die Lupe. Daten kamen aus 13 Zentren in neun Ländern; Koordinator war das Internationale Institut für Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer). Zur Methodik: Zahnärzte werteten die Daten von über 1.963 Patienten mit Mundhöhlen- und Kehlkopfkrebs aus und verglichen ihre Resultate mit 1.993 gesunden Menschen. Als Indikatoren einer schlechten Mundgesundheit galten Zahnfleischbluten und Zahnersatz. Wer selten zum Zahnarzt ging beziehungsweise seine Zähne kaum putzte, kam in die Gruppe mit verbesserungswürdiger Zahnpflege. Dabei zeigte sich [Paywall], dass mangelnde Mundhygiene und fehlende zahnmedizinische Versorgung unabhängige Risikofaktoren für Tumorerkrankungen der oberen Speise- und Atemwege sind – selbst wenn andere auslösende Faktoren keine Rolle spielen. „Menschen, die Prothesen tragen und keine eigenen Zähne mehr haben, sollten nicht glauben, Zahnarztbesuche seien überflüssig”, sagt Dr. David Conway, Mitautor der Studie. „Im Gegenteil, wer eine Prothese trägt, sollte trotzdem regelmäßig zur zahnärztlichen Kontrolle gehen.“ Wie häufig entsprechende Termine anzusetzen sind, hängt von der individuellen Situation ab und sollte vom Zahnarzt entschieden werden. Warum Spülungen mit Mundwasser – mehr als drei Anwendungen pro Tag – das Risiko maligner Erkrankungen steigern, lässt sich wissenschaftlich derzeit nicht klar beantworten. In ihrer Veröffentlichung diskutieren die Wissenschaftler Effekte von Ethanol neben statistisch nicht belegbaren Einflussfaktoren.
Doch warum ist schlechte Mundhygiene mit malignen Erkrankungen assoziiert? Eine Kohortenstudie mit 51.529 männlichen Health Professionals liefert Hinweise. Parodontitis erhöht das Risiko, an Prostatakarzinomen zu erkranken, um 54 Prozent. Störende Faktoren wie Alter, Körpergewicht oder Nikotinkonsum hatten Forscher zuvor eliminiert. Laut Auswertung der EPIC-Studie [Paywall] besteht auch eine mögliche Korrelation zwischen Antikörpern gegen Parodontosekeime und Pankreas-Karzinomen. Hier standen Blutproben von rund 390.000 aller 519.978 Teilnehmer zur Verfügung. Schwedische Kollegen sehen Zusammenhänge [Paywall] zwischen Parodontitis und Neoplasien beziehungsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ihre Erkenntnis basiert auf Daten von 3.273 zufällig ausgewählten Personen zwischen 30 und 40 Jahren. Epidemiologische Studien haben bekanntlich ihre Schwächen, wenn es um den Nachweis von Kausalitäten geht. Allerdings ist in anderem Zusammenhang bekannt, dass chronische Entzündungen des Zahnfleischs die Werte für das C-reaktive Protein und für Interleukine erhöhen – ein mögliches Bindeglied? Das lässt sich nur durch weitere Arbeiten klären.
Noch ein Blick auf spitze Zähne oder scharfkantige Prothesen. Mechanische Irritationen erhöhen neuen Untersuchungen zufolge ebenfalls das Malignom-Risiko. Die Theorie leuchtet ein – schließlich wissen Onkologen seit Jahrzehnten, dass Asbestfasern aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften unter anderem Pleuramesotheliome auslösen. Australische Zahnärzte nahmen dies als Arbeitshypothese und werteten Daten von knapp 900 Patienten mit Krebserkrankungen der Mundhöhle aus. Vollständige Befunde lagen bei 724 Patienten vor, nämlich 334 Oropharynxkarzinome (286 Raucher, 48 Nichtraucher) und 390 maligne Neoplasien der Mundhöhle (303 Raucher, 87 Nichtraucher). Männer waren häufiger betroffen (265 von 334 beziehungsweise 255 von 390 Fallberichten). Die Details zu Ex- beziehungsweise Nichtrauchern: An einem Mundhöhlenkarzinom waren 39 Prozent aller Männer, aber 61 Prozent aller Frauen erkrankt, bezogen auf die untersuchten Krebsfälle. Bei Rauchern ist die Situation genau umgekehrt (72 Prozent Männer, 28 Prozent Frauen). Tabakkonsumenten hatten oft Malignome am Zungenrand (107 von 303 Patienten), am Mundboden (82 Fälle) oder hinter den Backenzähnen (38 Fälle). Ganz anders verhielt sich die Situation bei Nichtrauchern. Hier fanden Ärzte Neoplasien häufiger am Zungenrand (57 von 87 Fällen). Die Autoren vermuten, mechanische Irritationen könnten ein möglicher Auslöser sein. Abgebrochene, scharfkantige Zähne, aber auch schlecht verarbeitete Füllungen oder nicht richtig sitzende Prothesen reizen den Zungenrand eher als die Bukkalregion. Entsprechende Zusammenhänge lassen sich auch hier nicht zweifelsfrei belegen. Kollegen hatten keine Daten zum Zahnstatus und konnten Patienten auch nicht selbst untersuchen. Trotzdem spricht viel für regelmäßige zahnmedizinische Untersuchungen – auch als Krebsprophylaxe.