Sie sind hübsch, manchmal aber auch hochgefährlich und wir leben auf engstem Raum mit ihnen zusammen: Zimmerpflanzen. Manch eine Yucca-Palme kann mit ihren Blattspitzen beim Menschen einen Gehörverlust verursachen. Andere Pflanzen können ihren Besitzer sogar töten.
Monstera, Dieffenbachia, Yucca-Palme – sie sollen Wohnung und Arbeitsplatz optisch aufwerten und das Raumklima verbessern. Auch wenn viele von uns Gefallen an Zimmerpflanzen finden, so birgen einige von ihnen jedoch ungeahnte Gefahren. Nicht selten enthalten Pflanzen verschiedene Nerven- und Zellgifte, um sich vor natürlichen Fressfeinden zu schüzen. Meistens hemmen oder überstimulieren diese Nervengifte das cholinerge System. Einige andere Nervengifte hemmen oder überstimulieren aber auch Ionenkanäle und können dadurch vor allem Herz und Gehirn beeinträchtigen. In solchen Fällen kann es zu Arrhythmien und Krämpfen kommen. Zellgifte können wiederum Entzündungen auslösen, Zellmembranen zerstören, die Zellteilung hemmen oder anderweitig zu Gewebeschäden, insbesondere zu Leberschäden, führen. Zur Verteidigung setzen Pflanzen auch Blattspitzen ein oder rufen mit Hilfe von Pheromonen die Feinde der Angreifer. Bei welchen Pflanzenarten ist Vorsicht geboten? Ein Überblick.
Die Yuccapalme weiß sich mit ihren spitzen Blättern zur Wehr zu setzen. Unter der Leitung des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Stephen O'Leary identifizierte das Team über einen Zeitraum von fünf Jahren 28 Patienten, die Ohrenschäden durch Yuccapalmen davongetragen hatten. 25 davon hatten ein perforiertes Trommelfell, drei eine Verletzung des Gehörganges. Einige der Patienten erlitten auf dem geschädigten Ohr einen irreversiblen Gehörverlust. Charakteristisch für Yuccapalmen sind die immergrünen spitz zulaufenden und recht harten Blätter. Die Palmwedel können wie eine Pfeilspitze in den Gehörgang eindringen. Die Blattspitzen können extrem tief ins Ohr eindringen und so die Membranen schädigen, die das Mittel- vom Innenohr trennen. Dadurch kann Perilymphe vom inneren Bereich ins Mittelohr sickern. Die Folgen können Perilymphfisteln sein. Von solchen Symptomen waren vier der Patienten betroffen. Die Ärzte empfehlen daher Ohrenschützer, wenn man bei der Gartenarbeit nicht umhinkommt, seinen Kopf zwischen Yuccas zu stecken.
Auf Haut und Augen hat es hingegen die Dieffenbachia abgesehen. Sie ist in vielen Büros zu finden und soll gegen das „Sick-Building-Syndrom“ aktiv werden. So nennt man eine Reihe von Beschwerden, die durch Chemikalien in Baumaterialen wie Formaldehyd, Xylol, und Toluol ausgelöst werden können. Neben dem Kopierer oder Drucker platziert kann die Dieffenbachia das dort gebildete Formaldehyd beschleunigt abbauen. Dumm nur, dass die gesamte Pflanze extrem giftig ist, ganz besonders aber der Stamm. In allen Pflanzenorganen befinden sich Kalziumoxalatnadeln. Diese haben Rinnen, durch die Oxalsäure und andere Giftstoffe etwa in offene Wunden gelangen können. Weiterhin wird das Vorkommen von Saponinen, Glykosiden, Alkaloiden, proteolytische Enzymen, proteinähnliche Substanzen und cyanogene Glykosiden als potenziell toxische Wirkstoffe in der Pflanze diskutiert. Bei Berührung öffnen sich kleine Schießzellen der Pflanze, die winzige Nadeln und Giftstoffe absondern. Treffen diese auf die Haut oder die Augen, kann es zu Reizungen kommen. Wenn irgendein Teil dieser Pflanzen gekaut und geschluckt wird, stechen die Kristalle in das empfindlich Gewebe der Zunge, des Zahnfleisches und des Rachens und erzeugen das Gefühl, auf gemahlenen Glas herum zu beißen. Schmerzen, Schluckbeschwerden, Schwellungen und vorübergehende Heiserkeit können auftreten. Tatsächlich sind die Auseinandersetzungen mit der Dieffenbachia der zweithäufigste Grund für die Behandlung von Pflanzenexpositionen in amerikanischen Giftkontrollzentren. Die meisten dieser Fälle betreffen Kinder. Die kutane Exposition kann zu Rötungen und Irritationen führen, ist aber nicht annähernd so häufig wie die orale Exposition durch Kauen. Augenkontakt kann außerdem zu Augenschmerzen, Rötungen und Lidschwellungen führen, warnt die Rettungsmedizinerin Jennifer Boyle in einem Beitrag. Mocking et al. berichten über eine Vergiftung eines 7 Monate alten Kleinkindes, das mit dem Verdacht auf eine lebensbedrohliche Vergiftung in die Klinik eingeliefert wurde. Die Eltern berichteten über die plötzliche Entwicklung von abwechselnder Agitiertheit und Eintrübung, Dyspnoe, Erbrechen und schließlich Bewusstlosigkeit. Der Stuhl enthielt Blutbeimengungen. Die Therapie erfolgte symptomorientiert, über das Vorhandensein der Giftpflanze wusste man nicht Bescheid. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus äußerte die Großmutter des Säuglings den Verdacht, dass die Symptome auf eine Vergiftung durch Dieffenbachia zurückzuführen sein könnten, was sich als wahr erwies.
Der milchige Saft der Euphorbia-Pflanze ist hochgiftig und reizt Haut und Auge. In einer Kasuistikensammlung berichten Basak et al. über drei Patienten, die sich wegen einer versehentlichen Exposition des Saftes in der Augenarztpraxis vorstellten. Die Anfangssymptome waren in allen Fällen ein starkes Brennen mit verschwommener Sicht. Die Sehschärfe reduzierte sich von 20/60 auf das Zählen von Fingern. Die klinischen Befunde variierten von Keratokonjunktivitis, leichtem bis schwerem Hornhautödem, Epitheldefekten, anteriorer Uveitis und sekundär erhöhtem Augeninnendruck. Alle Symptome und Anzeichen hatten sich innerhalb von 10–14 Tagen mit aktiver unterstützender Medikation zurückgebildet. „Menschen, die mit Euphorbia-Pflanzen umgehen, sollten Augenschutz tragen“, so der Rat der Ophtalmologen in der Kasuistikensammlung.
Die Tomaten und die Tabakpflanze haben besonders ausgeklügelte Verteidigungsmechanismen entwickelt. Auf der Oberseite der Blätter finden sich Drüsenhaare, die ein klebriges Sekret absondern. Blattläuse verfangen sich darin und müssen verhungern. Dieses Sekret verleiht der Tomatenpflanze auch ihren arttypischen Geruch. Die Tabakpflanze, wie die Tomate und Kartoffel ein Nachtschattengewächs, sondert als Schutzgift Nikotin ab. Wird eine Pflanze von einer Raupe attackiert, „erkennt“ die Pflanze am Raupensekret die Art des Angreifers. Daraufhin setzt die Pflanze Jasmonsäure ab und bildet noch mehr Nikotin. Bei Raupenarten, die zwar auf die Pflanze klettern, diese aber nicht fressen, bleibt diese Reaktion hingegen aus.
In verzehrter Form ist Zigarettentabak für Menschen übrigens relativ ungefährlich: Nikotin ist hier einerseits wesentlich ungiftiger als gedacht, lange Zeit wurde die tödliche Dosis von Nikotin mit 60 mg angegeben. Neuere Daten belegen aber, dass die Selbstversuche, die zu dieser Angabe geführt haben, fehlerhaft waren. Nach einer Studie des Pharmakologen Prof. Bernd Mayer von der Uni Graz, beträgt die tödliche Menge 500 bis 1.000 mg. Andererseits wird Nikotin aus dem sauren Magensaft kaum resorbiert. Zahlreiche Fälle, die Tox Info Suisse gemeldet wurden, zeigten, dass keine schweren Vergiftungen nach Einnahme von bis zu zwei ganzen ungerauchten Zigaretten oder sechs Stummeln zu erwarten sind. Eine große ältere Studie von McGee et al. zeigte, dass bei 700 Kleinkindern nach Einnahme von bis zu zwei Zigaretten der Verlauf immer leicht war und selbst größere Mengen nicht zu schweren Symptomen führten. Zigarettenkippen, die ihr Schicksal im Blumenwasser beenden, können hingegen hochtoxisch sein. Im basischen pH-Wert geht das Nikotin in Lösung. Von Kindern getrunkenes Blumenwasser ist deshalb besonders gefährlich, genauso wie Liquids, Nikotinsprays, -pflaster und -kaugummies zur Raucherentwöhnung. Hier liegt das Nikotin leicht resorbierbar vor.
Ebenso wie die Tabakpflanze gehören auch Tollkirsche, Stechapfel, Bilsenkraut und Engelstrompete zu den Nachtschattengewächsen. Der Name dieser Pflanzenfamilie leitet sich von „umnachtet sein“ ab. Die Alkaloide der Pflanzen führen zu benebelnden Rauschzuständen und Flughalluzinationen. Die Tollkirsche etwa enthält hauptsächlich Atropin. Stechapfel, Bilsenkraut und Alraune enthalten in erster Linie das psychotrop wirksame Scopolamin. Bei allen Nachtschattengewächsen dominieren Alkaloide, die als Parasympatholytika wirken. Atropin wirkt erregend auf das Zentralnervensystem: Das äußert sich in einer allgemeinen Erregung mit motorischer Unruhe und Erhöhung der Herzfrequenz. Hinzu kommen eine Erweiterung der Pupillen und eine verminderte Speichelsekretion. Aufgrund der chemischen Verwandtschaft zum Kokain hat Atropin eine lokalanästhetische Wirkung. Scopolamin wirkt auch als Parasympatholytikum, im Vergleich zum Atropin jedoch eher beruhigend und dämpfend. Es sorgt für einen Zustand der Willenlosigkeit und Apathie, ähnlich einer Hypnose. Früher wurde es als Wahrheitsdroge angewandt. Eine japanische Forschergruppe berichtete über zwei Fälle von Vergiftungen durch die Einnahme von Engels-Trompete. Eine 71-jährige Frau wurde zu Hause bewusstlos auf dem Sofa liegend aufgefunden und in die Klinik gebracht. Sie zeigte eine mydriatische Anisokorie und nach MRT-Befund eine Enzephalopathie. Ihr 68-jähriger Ehemann zeigte eine Bewusstseinsveränderung mit Erregung. Da seine Manifestationen denen seiner Frau ähnelten, vermuteten die Mediziner eine Intoxikation. Das Ehepaar hatte die Engelstrompete mit Klette verwechselt und gekocht. Eine derartige Vergiftung verursacht eine charakteristische Enzephalopathie mit verändertem Bewusstsein und Mydriasis. Schwere Verläufe machen sich duch Pyramidenbahnzeichen oder Krämpfe bemerkbar, auch Todesfälle wurden gemeldet. Der österreichische Schriftsteller und Dichter Karl Heinz Waggerl bringt es auf den Punkt: „Wie lieblich duftet uns im März der Seidelbast! Doch innerwärts ist er voll Gift und Galle, weil wir, in diesem Falle, das Wunder nur beschauen sollen. Man muss nicht alles kauen wollen!“