Die Migräneprophylaxe hat eine schlechte Lobby. Es gibt zwar monoklonale Antikörper, die jüngst für die Prophylaxe zugelassen worden sind, doch die Ärzte verschreiben sie nur zögerlich. Warum?
Die Lebensqualität von Migränepatienten ist teilweise sehr eingeschränkt durch Begleitsymptome wie Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit. Deshalb sollten Medikamente für die Migräneprophylaxe bei der Therapie mehr miteinbezogen werden.
„In den vergangenen Monaten sind drei neuartige Medikamente für die Migräneprophylaxe in Europa zugelassen worden“, sagt Dr. Tim Jürgens, Ärztlicher Leiter des Kopfschmerzzentrums Nord-Ost, Universitätsmedizin Rostock. „Ärzte dürfen sie bei Patienten einsetzen, die nicht auf andere vorbeugende Therapien ansprechen.“
Die neuen Medikamente gehören zur Gruppe der monoklonalen Antikörper (mAb). Diese richten sich gegen wichtige Botenstoffe, die bei der Entstehung von Migräneattacken eine zentrale Rolle spielen. Ziel der zugelassenen mAbs ist das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP), das aus Nervenzellen freigesetzt wird und in der Übertragung von Schmerzsignalen eine entscheidende Rolle spielt. Die monoklonalen Antikörper zirkulieren als immunologisch aktive Eiweiße im Körper und erkennen eine bestimmte Oberflächenstruktur des Botenstoffs CGRP beziehungsweise des CGRP-Rezeptors, binden daran und blockieren somit die Weiterleitung von schmerzhaften Signalen.
Zugelassen sind zwei monoklonale Antikörper gegen CGRP (Fremanezumab, Galcanezumab) und ein monoklonaler Antikörper gegen den CGRP-Rezeptor (Erenumab).
„Während in Bereichen wie der Onkologie und Rheumatologie sowie der Behandlung der multiplen Sklerose monoklonale Antikörper seit vielen Jahren als klinisch hocheffektive neue Therapieformen etabliert sind, sind sie in der Indikation Migräne in der Schmerzmedizin noch recht neu und werden noch selten verschrieben“, erklärt Jürgens.
Auch bedingt durch die sozialrechtlichen Vorgaben sind diese Therapien Patienten vorbehalten, die auf herkömmliche Kopfschmerzprophylaktika nicht ansprachen. „Ein personalisierter Einsatz mit dem Ziel, jedem Patienten möglichst früh das bei ihm mutmaßlich wirksamste Medikament zukommen zu lassen, wird aktuell nicht praktiziert. Warum?
„Zusammenfassend ist die aktuelle Datenlage für einen personalisierten Einsatz der neuen monoklonalen Antikörper dürftig.“ Sie sei selbst für bereits länger verfügbare Substanzen nicht so gut, dass ein personalisierter Einsatz im klinischen Alltag implementiert ist. Dies sei nur durch größere prospektive Studien – idealerweise im Rahmen von Registern – zu klären.
Jürgens spricht das Kopfschmerzregister der DMKG an – der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Es ist im Juni 2020 gestartet.
Ziel ist die Verbesserung der Versorgung von Kopfschmerz-Patienten. Dies soll erreicht werden durch:
Ärzte, unterstützende Firmen und wissenschaftliche Institutionen finden hier weitere Infos.Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Schmerzgesellschaft. Bildquelle: Viktor Talshuk/Unsplash