Kaum haben Ärzte oder Apotheker eine neue Angestellte gefunden, wird sie prompt schwanger – zum Verdruss ihres Chefs. Juristisch ist der Mutterschutz kaum anfechtbar, was gut ist. Dennoch sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam nach tragfähigen Lösungen suchen.
Praxisinhaber und Apothekenleiter kennen das Problem gleichermaßen: Mit Mühe und Not haben sie eine neue Angestellte gefunden, sich über Gehalt und Arbeitszeiten verständigt. Kurz nach der Vertragsunterzeichnung – nicht selten noch während der Probezeit – berichtet die neue Mitarbeiterin von ihrer Schwangerschaft. Aufgrund möglicher Risiken entscheidet sich ihr Gynäkologe für ein Beschäftigungsverbot und schreibt sie krank.
Die Situation ist für beide Seiten unglücklich: Arbeitgeber dürfen im Bewerbungsgespräch nicht fragen, ob eine Bewerberin in froher Erwartung ist oder vielleicht plant, schwanger zu werden. Gynäkologen wiederum raten Patientinnen, etwas abzuwarten, bis sie ihren Arbeitgeber informieren. Schließlich ist das Risiko eines Aborts in den ersten Schwangerschaftswochen mit 10 bis 20 Prozent vergleichsweise hoch. Und Arbeitgeber sehen eine Schwangerschaft häufig verständlicherweise als Problem – vor allem, wenn ihre neue Angestellte erst seit kurzer Zeit im Team ist und sich umgehend krankschreiben lässt. Finanziell greift zwar die Umlage U2 gemäß Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung. Krankenkassen erstatten Arztpraxen oder Apotheken 100 Prozent ihrer Lohnaufwendungen im Falle eines Beschäftigungsverbots sowie 100 Prozent ihres Zuschusses zum Mutterschaftsgeld. Heilberufler stehen trotzdem vor der schier unlösbaren Aufgabe, kurzfristig MFA, ZFA, MTA, PTA oder sogar Ärzte beziehungsweise Apotheker zu finden. Haben sich diese erfolgreich eingearbeitet, so müssen sie ihre Stelle schon bald wieder aufgeben. Der Grund: Kehren Kolleginnen nach maximal drei Jahren Elternzeit in den Betrieb zurück, so haben sie das Recht auf einen adäquaten Arbeitsplatz. Für den Arbeitgeber ist diese Situation ein heikles Unterfangen. Sie bedeutet nicht selten eine Gratwanderung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen.
Im Mai dieses Jahres hatten Richter zudem einmal mehr klar gemacht, dass Chefs schwangeren Angestellten nicht einfach kündigen können – auch nicht in der Probezeit (Arbeitsgericht Berlin, Az.: 28 Ca 18485/14). Kurz nach ihrer vermeintlichen Entlassung hatte die Kollegin ihrem Chef mitgeteilt, sie sei in anderen Umständen. Damit greift Paragraph 9 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG): „Die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird; das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn es auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird.“ Entsprechende Passagen gelten auch für Kleinbetriebe wie Arztpraxen oder Apotheken. Einige Wochen später startete der Arbeitgeber einen weiteren Anlauf – und scheiterte erneut. Er hatte bei der zuständigen Arbeitsschutzbehörde nicht nachgefragt. Das Arbeitsgericht verurteilte den Chef sogar zur Zahlung einer Geldstrafe. Justitias Vertreter sprachen von einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Ein weiteres Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 2 AZR 237/15) vom März ging der Frage nach, ab wann das MuSchG bei In-vitro-Fertilisationen greift. Zum Fall selbst: Die Klägerin hatte ihren Arbeitgeber vom anstehenden Versuch einer künstlichen Befruchtung informiert. Wenige Tage nach dem – wie sich später herausstellte erfolgreichen – Embryotransfer erhielt sie eine ordentliche Kündigung ohne behördliche Zustimmung. Ihre Kündigungsschutzklage war in allen Instanzen erfolgreich. Der besondere Kündigungsschutz für Schwangere (Paragraph 9 Absatz 1 Satz 1 MuSchG) greift ab dem Embryotransfer und nicht erst ab der Nidation. Auch hier war entscheidend, dass die Angestellte ihren Arbeitgeber nach Aussprache der Kündigung fristgerecht von der Schwangerschaft informiert hatte. Scheitert die In-vitro-Fertilisation oder kommt es zu einer Fehlgeburt, endet auch der Kündigungsschutz.
Juristisch ist die Sachlage damit klar. Nur was tun? Facebook-Managerin Sheryl Sandberg kritisiert, gerade junge, talentierte Frauen würden ihre beruflichen Chancen während der Schwangerschaft links liegen lassen, indem sie sich mehr und mehr aus dem Arbeitsleben zurückzögen („Lean In: Women, Work and the Will to Lead“). Sie selbst hat schon mehrfach werdende Mütter eingestellt. Vom Grundgedanken her lässt sich Facebook trotz aller Unterschiede mit Arztpraxen oder Apotheken vergleichen. Fachkräfte sind rar, gerade im Gesundheitsbereich. Wer gutes Personal langfristig bindet, hat als Arbeitgeber die besseren Karten. Frauen sind ebenfalls in der Pflicht, alte Rollenvorstellungen abzuschütteln. Eine Option, die immer häufiger diskutiert wird: Teilzeit für beide Partner. Davon profitieren Angestellte und Chefs gleichermaßen.