Ist COVID-19 doch nicht so tödlich wie gedacht? Zu dieser Annahme könnte man kommen, wenn man eine aktuelle Metaanalyse der WHO überfliegt.
In der Metaanalyse hat John Ioannidis, Epidemiologe von der Stanford University die Sterblichkeit von COVID-19 anhand von 61 Studien aus aller Welt analysiert. Das Ergebnis: Die Infektionssterblichkeit lag bei den untersuchten Studien im Median bei 0,27 %.
Damit liegt sie deutlich unter den Schätzungen, die zu Beginn der Pandemie gemacht wurden. Erste Daten aus China hätten die infektionssterblichkeit bei 3,4 % veranschlagt, heißt es in der Studie.
Einige Medien verwiesen danach auf das RKI, das die Fallsterblichkeit derzeit mit 2,6 % angibt, ein Wert fast 10 mal so hoch. Unterschätzt die WHO die Sterblichkeit oder ist die Lage hierzulande viel schlimmer als man denkt?
Doch die unterschiedlichen Zahlen lassen sich leicht erklären. Es werden zwei unterschiedliche Werte aufgeführt: Die Infektionssterblichkeitsrate und die Fallsterblichkeitsrate.
Ein Problem dabei ist, dass viele Antikörper-Studien nicht repräsentativ sind, weil zu wenige Fallzahlen vorliegen. Das dürfte auch ein Problem dieser Metaanalyse sein, wie bereits von Experten kritisiert wurde. Viele der zugrundliegenden Studien seien von minderer Qualität und unterschätzten die Infektionstodesrate.
Für Deutschland kann man noch keine klare Aussage zur Infektionssterblichkeit machen, weil entsprechende Studien zur Seroprävalenz fehlen. Virologe Drosten schätzt sie basierend auf Studien aus den USA auf rund 1 %.
Wichtig zu wissen ist, dass die Infektionstodesrate keine festgesetzte Größe ist, die weltweit gültig ist. So nimmt etwa die Alterstruktur einer jeweiligen Region enormen Einfluss auf den Wert. Denn je mehr alte Menschen in einer Region leben und an COVID-19 erkranken, desto höher fällt der IFR aus. In einer anderen Metaanalyse zeigte sich, dass die IFR für COVID-19 exponenziell mit dem Alter steigt. Die geschätzten altersspezifischen IFRs liegen für Kinder und jüngere Erwachsene bei fast 0, erreichen 0,4 % für 55-Jährige, 1,3 % für 65-jährige Patienten, 4,2 % für 75-Jährige und 14 % für 85-jährige Patienten.
Auch Ioannidis kommt zu dem Ergebnis, dass die Sterblichkeit stark variiert – je nachdem, ob sich vor allem ältere Menschen infizieren, wie gut die medizinische Versorgung ist, wie hoch der Anteil der Menschen mit Vorerkrankungen in der Bevölkerung ist. So schwankte die Infektionssterblichkeit bei den von ihm ausgewerteten Studien zwischen 0 und 1,63 %.
Damit liegen die Werte tatsächlich unter den eingangs erwähnten 3,4 % aus chinesischen Berechnungen zu Beginn der Pandemie. Andere aktuelle Schätzungen liegen mit einer berechneten Infektionssterberate von rund 1 % ebenfalls unter diesem Wert.
Zu Beginn der Pandemie wusste man allerdings auch noch nicht, dass viele Infizierte das Virus auch unbemerkt in sich tragen und weitergeben können. Man hatte schlicht nicht damit gerechnet, dass es eine hohe Dunkelziffer an Infizierten geben könnte und war somit davon ausgegangen, dass die Fallsterblichkeit und Infektionssterblichkeit in etwa gleich seien.
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