Wieviel Mikroplastik tritt bei der Nahrungszubereitung aus Babyflaschen aus? Dieser Frage ging ein irisches Forscherteam nach.
Das Ergebnis der aktuellen Studie aus Nature Foods lautet: Wird Babynahrung nach WHO-Vorgaben zubereitet, nehmen Säuglinge während der ersten zwölf Lebensmonate im Durchschnit täglich 1,6 Millionen Mikroplastikpartikel mit der Nahrung auf, wenn sie mit Flaschen auf Polypropylenbasis gefüttert werden.
Die WHO empfiehlt folgendes Vorgehen: Die Flasche soll erst mit kochendem Wasser keimfrei gemacht werden. Dann wird die Nahrung mit 70 Grad warmem Wasser zubereitet und eingefüllt. Hohe Temperaturen bei der Sterilisierung der Flasche steigerte die Menge des freigesetzten Mikroplastiks. Wie viel Mikroplastik hier freigesetzt wird, variierte außerdem unter den unterschiedlichen Produkten auf dem Markt.
Im weiteren Schritt erstellten die Autoren einen globalen Vergleich der Exposition von Säuglingen gegenüber Mikrokunststoffen und stellten deutliche regionale Unterschiede fest: In Afrika und Asien sind Säuglinge am geringsten exponiert, die höchste potenzielle Exposition wurde bei Säuglingen in Ozeanien, Nordamerika und Europa festgestellt. In Deutschland, Österreich und der Schweiz nehmen Babys laut der Studie etwa ein bis zwei Millionen Mikroplastikpartikel pro Tag mit der Flaschennahrung zu sich. Bei den Erwachsenen nennen die Autoren eine Tagesmenge von etwa 600 Partikeln.
Jetzt gelte es, zu untersuchen, ob sich diese freigesetzten Mengen an Mikroplastik schädlich auf die Gesundheit von Säuglingen auswirken könnte. „Die im Vergleich zu den in Mineralwasserflaschen gemessenen Partikelmengen hohen Daten sind ein Zeichen für die mangelnde Temperaturresistenz von Plastik“, sagt Dr. Eleonore Fröhlich, Leiterin der Abteilung Core Facility Imaging an der Medizinischen Universität Graz. Andere Beispiele seien Teebeutel, welche während des Brühprozesses sehr hohe Partikelmengen freigeben können oder auch Wasserkessel. Von daher seien die Ergebnisse nicht völlig unerwartet.
„Ehrlich gesagt bin ich schon überrascht über die hohe Anzahl an Teilchen, die in den Experimenten freigesetzt werden. Damit habe ich nicht gerechnet. Vielleicht ist ‚überrascht‘ nicht einmal stark genug, um das auszudrücken“, sagt Dr. Hanns Moshammer, Fachgebietsleiter Umwelthygiene und Umweltmedizin von der Medizinischen Universität Wien.
„Ich finde die Arbeit ist methodisch in Ordnung. Die Autoren gehen selbst auf die Probleme ein, die mir teilweise auch schon bekannt sind: Es gibt keine einheitliche Definition von ‚Mikroplastik‘. Je nach Messverfahren wie zum Beispiel der Porengröße des verwendeten Filters, kommt man zu unterschiedlichen Zahlen. Es hängt wohl auch von der Fragestellung ab, was man als Mikroplastik zählt.“
Wie sich Mikroplastik im Körper verhält, ist noch unklar. „Es ist kaum vorstellbar, dass große Partikel – die Bezeichnung Mikroplastik schließt ja Partikel bis zum Durchmesser von 5 Millimetern ein – die Darmwand passieren können und so in den Körper eindringen können. In der Arbeit war der Großteil der abgegebenen Partikel kleiner als 20 Mikrometer, besonders wurden auch Billionen von Nanopartikeln nachgewiesen.
In einer Größe kleiner einem Mikrometer nimmt der gesunde Darm eines Erwachsenen Partikel nur noch in minimaler Menge auf. Es ist bekannt, dass der kindliche Darm für manche Stoffe, beispielsweise Antikörper, durchlässiger ist als der eines Erwachsenen. […] Für die Aufnahme von Mikroplastik spielen diese Unterschiede aber kaum eine Rolle“, so Fröhlich.
Anders sehe es bei entzündlichen Darmerkrankungen aus, bei denen die Darmschleimhaut zum Teil defekt ist. Hier könnten die Partikel in den Körper gelangen und – intensiver als bei intakter Darmbarriere – mit dem Immunsystem interagieren. Falls Fremdstoffe an die Partikel gebunden sind, könnte dies zu unerwünschten Reaktionen kommen. Ungeklärt sei, ob und wie die Darmbakterien auf Mikropartikel reagieren. „Eine Veränderung der Darmflora nach Exposition mit Nanopartikeln wurde jedenfalls nachgewiesen.“
„Nach dem derzeitigen Stand des Wissens, der auf den nur begrenzt verfügbaren Daten aus in vitro-Untersuchungen sowie wenigen tierexperimentellen Studien basiert, ist nicht davon auszugehen, dass von Mikroplastikpartikeln in Lebensmitteln gesundheitliche Risiken für den Menschen ausgehen. Aufgrund der mangelhaften Datenlage kann derzeit allerdings noch keine abschließende Risikobewertung erfolgen“, fasst Dr. Albert Braeuning, vom Bundesinstitut für Risikobewertung zusammen.
Gäbe es denn Alternativen zur Plastikflasche? „Prinzipiell können Flaschen auch aus anderen Kunststoffen, aber auch aus Materialien wie beispielsweise Metall oder Glas gefertigt werden. Über die Freisetzung von Mikropartikeln aus Flaschen, die aus anderen Kunststoffen hergestellt wurden, liegen dem BfR keine Daten vor“, ergänzt Braeuning. Auch Moshammer hält die Verwendung von Glas für unproblematisch, andere Plastikarten müsse man sich genauer ansehen.
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