„AVP-Pleite? Die Apotheker können ihren Porsche ja einfach ein halbes Jahr später bestellen.“ So hat ausgerechnet ein Wirtschaftsexperte die aktuelle Situation kommentiert. Seine Entschuldigung ist allerdings noch schlimmer.
In der letzten Woche erregte die offenbar völlig unüberlegt geäußerte Neidaussage eines Politikers großen Ärger bei den eigentlich genug gebeutelten Apothekern, die ja schon von der AVP-Insolvenz betroffen waren.
Torsten Fritz, Abteilungsleiter im Brandenburger Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie, hatte – so die Aussage des Landesapothekerverbandes Brandenburg in einem Rundschreiben, das momentan in verschiedenen sozialen Medien kursiert – in einem Gespräch über mögliche staatliche Hilfen für die von der Pleite des Abrechners betroffenen Apotheken Folgendes geäußert:
Stein des Anstoßes sind die konkreten Formulierungen, die Fritz benutzt haben soll. „Mit Vorurteilen und polemischen Aussagen zu Apotheken wie beispielsweise, dass Apotheker ihren Porsche auch ein halbes Jahr später bestellen könnten, versuchte der Abteilungsleiter deutlich zu machen, dass es aus dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg keine Unterstützung für die unverschuldet in Not geratenen Unternehmen geben werde“, heißt es im vorliegenden Schreiben.
Auch soll Fritz gedroht haben, dass es keine weitere Zusammenarbeit zwischen dem Apothekerverband Brandenburg und dem Wirtschaftsministerium geben werde, wenn „der Verband über die Abwehrhaltung des Ministeriums öffentlich berichten“ sollte.
Nun kam der Versuch einer Entschuldigung für den Fauxpas mit dem Neidporsche. Fritz habe auf Nachfrage des Verbandes, was man unter „strukturbestimmend“ für eine Region verstehe, gesagt: „Um Ihnen mal ein extremes Beispiel zu benennen: Wenn jemand in Potsdam drei Apotheken hat und eine davon aufgrund der gegenwärtigen Situation geschlossen werden muss, dann hat das Auswirkungen auf seinen Leasingvertrag für seinen Porsche, aber sicherlich nicht auf die Versorgungssicherheit in Potsdam. In solchen Situationen kann das Land nicht helfen. Wir werden uns auf die Apotheken im ländlichen Bereich konzentrieren müssen.“
Dass diese Aussage die ganze Angelegenheit noch schlimmer macht, ist ihm offensichtlich nicht bewusst. Spielen wir dieses Gedankenspiel einmal mit …
Eine Apothekerin unterhält drei Apotheken in Potsdam. Wird sie dann verschiedene Abrechner für ihren Filialverbund wählen, oder wird sie alle Rezepte bei einem Abrechner einreichen? Doch wohl eher letzteres. Im Schnitt fehlen pro Betrieb durch die AVP-Pleite 160.000 Euro, bei größeren Apotheken bis zu einer halben Million. Also fehlen der guten Frau etwa 500.000 Euro.
Ist ihr dann damit geholfen, wenn sie eine der drei Apotheken in einem Teilkonkurs schließt? Was hätte sie denn davon, außer noch weniger Einkommen? Alle drei Apotheken haben doch dann ein strukturelles Problem und können dichtmachen.
Wer in die Röhre schaut, das ist dann nicht nur die Inhaberin, sondern das sind auch die etwa 25 Angestellten der drei Apotheken – meist Frauenarbeitsplätze, familienfreundlich in Teilzeit. Und auch die Anwohner des Stadtteils, zu dem die drei Apotheken gehört haben und vielleicht auch noch ein, zwei Altenheime, die durch die Apotheke beliefert wurden.
Dieses Szenario ist sicher nicht an den Haaren herbeigezogen, sondern entspricht der Realität viel eher, als die drei Apotheken mit unterschiedlichen Rezeptabrechnungsstellen, die der Abteilungsleiter aus dem Wirtschaftsministerium versucht, zu konstruieren, um seine völlig deplatzierte Äußerung schönzureden.
Eine Entschuldigung sieht jedenfalls anders aus – das hier ist in meinen Augen lediglich der Versuch einer Rechtfertigung und nicht mehr. Kein Wort kam von Herrn Fritz im Übrigen zum zweiten anmarkierten Satz, nämlich der Drohung, dass es keine weitere „Zusammenarbeit“ mit dem Wirtschaftsministerium gäbe, wenn sich öffentlich über diese „Abwehrhaltung des Ministeriums“ geäußert würde.
Das ist in meinen Augen ein Umgang, der nichts mehr mit Augenhöhe oder gegenseitigem Respekt zu tun hat. Das hört sich in meinen Ohren vielmehr nach einer Drohung und Erpressung an und sollte in einem solchen Gespräch nicht vorkommen, wenn sich beide Seiten wohlgesonnen sind.
Was mir zudem bitter aufstößt, ist die Tatsache, dass immer noch dieses Schubladendenken vorherrscht, dass jemand, der eine Apotheke leitet, automatisch ein Großverdiener ist und natürlich mindestens einen Porsche geleast haben muss, der vor seiner Luxusvilla parkt. Ich kann dazu nur sagen, dass ich immer in Apotheken gearbeitet habe, in der die Inhaber selbst und ständig anwesend waren und sich ehrlich um ihre Mitarbeiter und das Wohl ihrer Kunden gesorgt haben. Außerdem wohnten sie weder besonders luxuriös, noch fuhren sie teure Sportwagen oder machten länger als maximal 2–3 Wochen Urlaub im Jahr.
Diese Denke kommt in meinen Augen aus den 80ern, in denen die Gewinne, die in Apotheken erwirtschaftet wurden, um ein Vielfaches höher lagen als heutzutage. Wäre es so, wie der Vertreter des Wirtschaftsministeriums zu glauben scheint, dann hätten wir kein seit Jahren anhaltendes Apothekensterben. Traurig, dass er ausgerechnet in seinem Ressort davon offenbar gar nichts mitbekommen hat.
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