Anfang Oktober treffen sich Kollegen zum Apothekertag in Düsseldorf. Die Rituale sind bekannt: Begrüßung, Lagebericht, politische Statements und dutzende Anträge. Viele dieser Eingaben verschwinden in den nächsten Monaten spurlos – Zeit, das Procedere zu hinterfragen.
Nur nichts an der Routine ändern: Beim Deutschen Apothekertag (DAT) warten Delegierte jedes Jahr gespannt auf den Lagebericht von ABDA-Chef Friedemann Schmidt. Kommentare und Diskussionen sind bei diesem Tagesordnungspunkt unerwünscht, wie ein aktueller Antrag zeigt.
Gunnar Müller, Delegierter aus Westfalen-Lippe und aktiver BasisApotheker, wollte erreichen, dass Kollegen auch über Schmidts Lagebericht diskutieren dürfen. Momentan ist das aus formalen Gründen nicht möglich: Der ABDA-Präsident spricht vor Beginn der Hauptversammlung. Einen wirklichen Grund dafür scheint niemand zu kennen. Aussprachen sind nur zum Geschäftsbericht vorgesehen. Das wollte Müller ändern – und ist an bürokratischen Hürden gescheitert. Weder über die ABDA noch über deren Mitgliedsorganisationen konnte er Kontakt zu anderen Delegierten aufnehmen, um weitere Befürworter zu finden – aus datenschutzrechtlichen Gründen. Delegationsübergreifende Organisationsformen sind momentan nicht vorgesehen. Nach der Geschäftsordnung können Änderungsanträge zur Tagesordnung unter anderem von fünf Delegierten der Hauptversammlung beantragt werden. Jetzt planen BasisApotheker Eingaben, um die Kommunikation über Kammerbezirke hinweg zu verbessern. Nur haben Anträge mittlerweile eine Eigendynamik der besonderen Art entwickelt. Mehrere Beispiele:
Beim letzten DAT hatten Apotheker gefordert, Importquoten abzuschaffen. Rückendeckung kam nicht nur von Gesundheitspolitikern. Für Professor Dr. Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), sind Parallelimporte „das Einfallstor für Fälschungen“. Vom entsprechenden Antrag sei nichts mehr zu hören, kritisierte Nordrheins Kammerpräsident Lutz Engelen Mitte Juni. Falls Beschlüsse nicht weiter verfolgt würden, müsse man auch nicht zum DAT fahren. Engelen sieht auch Probleme bei der Qualität von Rezepturen, was vom Berufsstand „totgeschwiegen“ werde. Ein Antrag, der vorsah, Lieferengpässe verpflichtend zu melden, landete im Ausschuss und wird von der Bundesapothekerkammer nicht weiter verfolgt. Bei Antibiotika verweisen Spitzenvertreter vor allem auf Regierungsstrategien – und lehnen sich entspannt zurück. Ähnlich einfach ließ sich ein Beschluss hinsichtlich fixer Quoten zu Krankenhausapothekern erfüllen. Die ABDA schickte lediglich einen Brief an das Bundesgesundheitsministerium. Bewegt hat sich dadurch nichts.
Ähnlich mager fällt die Bilanz bei einem Antrag zur Reform des Pharmaziestudiums aus. Das Papier landete – Überraschung – im zuständigen Ausschuss. Hier soll erst einmal das apothekerliche Berufsbild überarbeitet werden, damit sich Kollegen weiterhin verschiedenen Tätigkeiten widmen können. Mit dem dritten Staatsexamen ist es nicht getan. Welche Qualifizierung Apotheker benötigen, um gegen Honorar Leistungen rund um Medikationsanalyse und Medikationsmanagement zu erbringen, ist weiterhin unklar. Verantwortliche haben das brisante Thema auf Eis gelegt. Resultate zum Antrag, das Berufsbild von PTA zu überarbeiten, sind ebenfalls nicht bekannt. Immerhin planen ABDA-Vertreter für den Herbst eine Umfrage unter Schülern und jungen PTA. Wirtschaftliche Fragen, manche Schulen haben hier massive Probleme, bleiben außen vor. Bei PKA hätte die letzte Novellierung erst in 2012 stattgefunden, heißt es weiter. Das wussten Delegierte beim letzten Apothekertag ebenfalls. Trotzdem sehen Spitzenvertreter keinen Grund, weiter aktiv zu werden.
Bei neuen Konzepten zur Honorierung fällt die Bilanz nicht besser aus. Dass Regierungsvertreter vorrangig an nicht zustimmungspflichtigen Gesetzen arbeiten, erschien Argument genug zu sein, sich still zu verhalten. Regelmäßige Überprüfungen über einen geänderten Paragraphen 78 Arzneimittelgesetz wären nicht das Problem. Zeigt die Analyse tatsächlich Spielraum nach oben, müssen Ländervertreter grünes Licht geben. Um Kollegen vor Nullretaxationen zu bewahren, verweisen ABDA-Experten auf Passagen des Versorgungsstärkungsgesetzes: „In dem Rahmenvertrag ist erstmals bis zum 1. Januar 2016 zu regeln, in welchen Fällen einer Beanstandung der Abrechnung durch Krankenkassen, insbesondere bei Formfehlern, eine Retaxation vollständig oder teilweise unterbleibt; kommt eine Regelung nicht innerhalb der Frist zustande, entscheidet die Schiedsstelle (...).“ Weitere Forderungen, etwa zeitlich überlappende Rabattverträge oder feste Arzneimittelpreise für OTCs, werden nicht weiter verfolgt.
Besonders verärgert ist die AK Nordrhein über ihren Antrag zur Mitgliedschaft im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Seit dem Jahr 2003 diskutieren Apotheker mit schöner Regelmäßigkeit, ob sie mitarbeiten sollten oder nicht. Ein Blick auf Inhalte: Zuletzt hatte der Gesetzgeber Experten im G-BA beauftragt, Aut-idem-Listen zu erstellen. Bei der Umsetzung kam es zu Pannen, die Apotheker verhindert hätten. Trotzdem hält die Kontroverse um eine mögliche Beteiligung an. Gegner sprechen von hohen Kosten und mangelnder Mitsprache angesichts übermächtiger Kassen – Befürworter sehen mögliche „Koalitionen“ mit Ärzten, um Interessen durchzusetzen. Und so mancher Punkt im ABDA-Haushalt könnte auch in Richtung Personal für den G-BA verschoben werden. Nordrhein bleibt nur, bis zum nächsten DAT weitere Informationen zu präsentieren und auf ein positives Abstimmungsergebnis zu hoffen.
Viele Kollegen wollen den intransparenten Umgang mit ihren Anträgen nicht länger hinnehmen. Vor fast genau einem Jahr hatten Apothekerkammer-Präsidenten aus Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Friedemann Schmidt deshalb Druck gemacht. Thüringen forderte letzten Herbst, alle Eingaben per Datenbank zu erschließen, inklusive Bearbeitungsstand. Verantwortliche sollten aktiv über Neuigkeiten informiert und bei der Umsetzung eingebunden werden, hieß es weiter. Der Vorstoß fand keine Mehrheit.