Mikrogliazellen können sich im Tiermodell durch massive Proliferation innerhalb einer Woche fast vollständig regenerieren. Dies legt den Schluss nahe, dass sie eine essentielle Rolle dabei spielen, im Gehirn die Homöostase aufrecht zu erhalten.
Mikrogliazellen stellen die Hauptkomponente der Immunabwehr im zentralen Nervensystem (ZNS) dar und bilden die erste Verteidigungslinie gegenüber potenziellen Krankheitserregern. In ihrer alltäglichen Funktion schützen die Mikroglia dabei aktiv das Nervengewebe und unterstützen dessen Regeneration nach einer Verletzung. Sie erfüllen eine ähnliche Funktion wie Makrophagen in anderen Geweben, weshalb sie auch als Gewebsmakrophagen des ZNS bezeichnet werden. „Aufgrund dieser elementaren Bedeutung der Mikroglia im Gehirn stehen sie im Fokus unseres wissenschaftlichen Interesses“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Ari Waisman, Direktor des Instituts für Molekulare Medizin an der Universitätsmedizin Mainz. „Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass es erst seit kurzem Methoden und spezifische Marker gibt, die ausschließlich Mikrogliazellen sichtbar machen. Deshalb ist es nun möglich diese Zellen genauer zu charakterisieren.“ So sei bisher nicht bekannt gewesen, wie sich die Gesamtheit der Mikroglia über die gesamte Lebenszeit eines Organismus aufrechterhält.
Den Wissenschaftlern gelang es im Tiermodell gezielt Mikrogliazellen zum Absterben zu bringen. Andere Zellen des ZNS wurden hierdurch nicht beeinträchtigt. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die wenigen übrig gebliebenen Mikroglia durch massive Proliferation innerhalb von nur einer Woche wieder vollständig regenerieren konnten. „Durch dieses hohe Regenerationspotenzial unterscheiden sich Mikroglia stark von den anderen Gehirnzellen, vor allem von Nervenzellen“, so Professor Waisman. „Aus diesem Grund gehen wir davon aus, dass Mikroglia eine essentielle Rolle bei der Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtszustands im Gehirn spielen.“ Dieses Gleichgewicht ist wichtig, um eine normale Gehirnleistung zu garantieren und somit auch neurodegenerativen Erkrankungen vorzubeugen. Über die Charakterisierung der Mikroglia hinaus, haben die Wissenschaftler mithilfe des Next Generation Sequencings das genetische Profil der Mikroglia entschlüsselt. Sie fanden heraus, dass die Regeneration dieser Zellen nicht nur von dem bereits bekannten Botenstoff M-CSF abhängt, sondern auch der Botenstoff IL-1 eine wichtige Rolle spielt. Dass Interleukin-1 in der Regenation der Mikroglia involviert ist, deutet darauf hin, dass Mikroglia diesen Botenstoff brauchen, um ihre „typische“ Identität während der Regeneration aufrechtzuerhalten. Originalpublikation: Genetic cell ablation reveals clusters of local self-renewing microglia in the mammalian central nervous system Ari Waisman et al.; Immunity, doi: 10.1016/j.immuni.2015.06.012; 2015