Lange hat es gedauert, doch ab sofort können Ärzte Apps auf Rezept verschreiben. Wie das geht, haben wir hier zusammengefasst.
Die ersten Schritte zur Verordnung von Apps gleichen der Verordnung von Pharmakotherapien. Soweit nicht schon geschehen, führt der Arzt ein ausführliches Anamnesegespräch. Weitere Untersuchungen folgen, falls erforderlich.
Steht eine Diagnose fest, kann der Arzt im DiGA-Verzeichnis sehen, für welche ICD-10-Codes eine App zugelassen ist. Ok, zugegeben, die Liste ist aktuell noch etwas schmal, dem Arzt stehen derzeit zwei Apps zur Auswahl.
Die Webanwendung Velibra darf etwa bei
Bei der App Kalmeda ist es H93.1, Tinnitus aurium.
Wie bei Pharmakotherapien muss der Arzt dazu beraten und die Beratung auch dokumentieren.
Anwendungen aus dieser Liste haben wie Arzneimittel eine Pharmazentralnummer (PZN). Der Patient erhält ein Kassenrezept und schickt oder mailt es an seine Versicherung. Nach Prüfung erhält er dann einen 16-stelligen Freischaltcode und eventuell zusätzlich einen QR-Code, was ein bis zwei Tage dauern kann. Ab 2021 soll dies in Echtzeit möglich werden.
Dann bleiben dem Versicherten drei Monate Zeit, sich bei browsergestützen Anwendungen erstmalig einzuloggen oder Apps aus den Stores zu laden. GKVen haben sich mit den Betreibern im Vorfeld über diesen alternativen Weg verständigt. Zuzahlungen sind bei Velibra oder Kalmeda nicht erforderlich. Patienten müssen gegenüber Google Play, dem App Store oder Huawei auch nicht in Vorleistung treten.
Hier ein Schaubild des BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Es zeigt den Weg von der Verordnung bis zur Anwendung.
© BfArM
Zunächst stellt der Hersteller der App einen Antrag. Das BfArM bewertet daraufhin die digitale Gesundheitsanwendung (DiGA). Bewertet werden hier die Sicherheit, Funktionalität, Qualität und der Datenschutz. Außerdem müssen die Entwickler begründen, worin der gesundheitliche Nutzen ihrer App besteht. Reine Lifestyle-Tools kommen nicht in Frage.
Läuft alles glatt, veröffentlicht das BfArM die jeweilige Anwendung namentlich im DiGA-Verzeichnis. Ab diesem Zeitpunkt kann sie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen verordnet werden. Das betrifft momentan nur zwei Tools. Weitere sollen aber folgen.
Im Unterschied zur Verordnung von Arzneimitteln gibt es in der Tat einen alternativen Weg: Hat der Patient bereits eine Diagnose, kann er selbst anhand des frei zugänglichen DiGA-Verzeichnisses Apps oder Online-Anwendungen auswählen. Anschließend meldet er sich bei seiner gesetzlichen Krankenversicherung. Nach Prüfung erhält er ebenfalls den Freischaltcode.
Wie lange haben Patienten Zugriff auf verordnete Tools?
Jede neue App oder browsergestützte Anwendung bleibt nach Prüfung durch das BfArM zwölf Monate vorläufig im DiGA-Verzeichnis. So lange hat der Hersteller Zeit, um nachzuweisen, dass seine Anwendung die Versorgung in einem bestimmten Bereich verbessert.
Hat er Erfolg, bleibt für Patienten alles gleich. Gelingt es dem Hersteller nicht, den positiven Nutzen nachzuweisen, verlieren GKV-Versicherte den Leistungsanspruch für diese App/Anwendung. Bei Tools, die regelmäßige Zahlungen erforderlich machen, verlieren sie den Zugriff – oder entscheiden sich, alle Kosten selbst zu übernehmen.
Inzwischen werden bereits bei einer der beiden zugelassenen Anwendungen Sicherheitsmängel kritisiert. Welche Auswirkungen das haben wird, ist noch unklar. Mitte 2021 soll jedenfalls das E-Rezept starten und Papierrezepte bis Anfang 2022 komplett ersetzen. Für Apps oder Online-Tools bedeutet das einen Zeitgewinn: Prozesse wären in Echtzeit möglich. Wie das in der Praxis aussehen wird, muss sich allerdings zeigen.
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