Ein altes Präparat erstrahlt in neuem Glanz: Guanfacin, früher als Antihypertonikum zugelassen, soll jetzt bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS zum Einsatz kommen. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat grünes Licht gegeben.
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) gilt als häufigste psychiatrische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Rund sechs bis sieben Prozent sind betroffen. Ärzte setzen zunehmend auf multimodale Behandlungskonzepte. Dabei spielt der selektive Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer Methylphenidat eine wichtige Rolle. Vertragen Kinder oder Jugendliche das Pharmakon nicht, haben Ärzte bald weitere Alternativen.
Guanfacin, ein zentral wirkender alpha2A-Rezeptor-Agonist, hat in den USA schon lange eine Zulassung bei ADHS. Tabletten oder Kapseln setzen den Wirkstoff langsam frei. Bis heute wissen Forscher nicht genau, wie das Molekül wirkt. Sie vermuten, dass es zur Stimulierung von alpha2A-adrenergen Rezeptoren im präfrontalen Cortex kommt. Dieser Bereich steht mit ADHS-typischen Verhaltensweisen in Zusammenhang. Jetzt hat der EMA-Ausschuss für Humanarzneimittel ein positives Votum veröffentlicht. Als Basis dienten 13 Studien, darunter fünf Zulassungsstudien. Typische Nebenwirkungen waren Bradykardie, Hypotonie, Synkopen, Müdigkeit und Gewichtszunahme. Aufgrund von Sedierung und Somnolenz kam es auch zu Stürzen. Grund genug, genauer hinzusehen.
Shire muss als Hersteller Postmarketingstudien durchführen, um mögliche unerwünschte Effekte zu erfassen. Darüber hinaus machten EMA-Experten klar, dass Guanfacin bei Kindern und Jugendlichen nur als Bestandteil therapeutischer Konzepte eingesetzt werden darf. Das Präparat kommt – anders als in den USA – als Zweitlinientherapeutikum zum Einsatz, sollte Methylphenidat nicht wirken, zu schwache Effekte zeigen oder nicht vertragen werden. Für Erwachsene ist das neue, alte ADHS-Therapeutikum nicht zugelassen.