Das Rac-Schalterprotein erhöht die Empfindlichkeit des B-Zell-Rezeptors gegenüber Antigenen. Ein genaueres Verständnis der entsprechenden Mechanismen könnte eines Tages zu einer besseren Therapie von Leukämien und Lymphomen beitragen.
Mit dem B-Zell-Rezeptor verhält es sich wie mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Einerseits ist der Rezeptor auf der Oberfläche von weißen Blutkörperchen ein wichtiger Teil des adaptiven Immunsystems, das den Körper vor Gewebeschädigungen schützt. Andererseits sind überschießende Reaktionen mit Autoimmunerkrankungen und Tumoren des blutbildenden Systems assoziiert.
Damit der B-Zell-Rezeptor als Regulator der Immunreaktion wirken kann, ist eine genaue Justierung seiner Empfindlichkeit gegenüber körpereigenen und körperfremden Antigenen wichtig. Störungen der Signalübertragung dieses Rezeptors führen womöglich zu Immunschwäche, während eine überschießende Reaktion lebensbedrohliche Folgen haben kann. Nun haben Forscher um Professor Peter Gierschik, Leiter des Ulmer Instituts für Pharmakologie und Toxikologie, die Rolle des Schalterproteins Rac untersucht. Dieses Eiweiß regt offenbar die Produktion von Botenstoffen innerhalb der Zelle nach der Bindung von Antigenen an den B-Zell-Rezeptor an. Einen entsprechenden Regulations-Mechanismus hatten die Forscher um Gierschik bereits vor rund zehn Jahren im zellfreien System entdeckt. Mithilfe einer hochentwickelten fluoreszenzmiskroskopischen Methode, der sogenannten konfokalen Spinning-Disc-Mikroskopie, konnten sie nun die Funktion des Schalterproteins Rac anhand genetisch veränderter B-Lymphozyten in Einzelzellen und in Echtzeit untersuchen. Dafür waren komplexe Vorarbeiten nötig: „Für unsere Untersuchungen haben wir B-Zellen genutzt, in denen die Gene eines Signalvermittlers von Rac ausgeschaltet worden waren. In diese Zellen konnten wir eine Mutante des Signalvermittlers einbringen, die nicht mehr auf Rac reagiert, aber alle sonstigen Signalvermittlerfunktionen ausübt“, erklärt Erstautorin Dr. Claudia Walliser.
Das Ergebnis erklärt auch zahlreiche Befunde zur Funktion von Rac, die bereits im Menschen oder im Mausmodell erhoben worden sind: Rac erhöht die Empfindlichkeit des B-Zell-Rezeptors erheblich. „Das Schalterprotein wird durch den B-Zell-Rezeptor selbst und seine Korezeptoren aktiviert. Letztere helfen dem B-Zell-Rezeptor zu entscheiden, ob das Antigen körpereigen ist oder zum Beispiel von Mikroorganismen stammt. Ist es körperfremd, erhöht der Korezeptor die Empfindlichkeit des Rezeptors“, erläutert Gierschik. Durch diese Ergebnisse verfügen die Forscher über ein aussagekräftiges Modell für die Interaktion des B-Zell-Rezeptors mit seinen Korezeptoren. Deren Zusammenspiel ist schließlich ausschlaggebend für die Feinjustierung der Rezeptor-Empfindlichkeit und somit die Balance zwischen Immunabwehr und Toleranz. Ein genaueres Verständnis der entsprechenden Mechanismen ist also nicht nur für die Grundlagenforschung wichtig, sondern könnte eines Tages zu einer besseren Therapie häufiger Erkrankungen, beispielsweise von Leukämien und Lymphomen beitragen. Originalpublikation: Rac-mediated Stimulation of Phospholipase Cγ2 Amplifies B Cell Receptor-induced Calcium Signaling Claudia Walliser et al.; Journal of Biological Chemistry, doi: 10.1074/jbc.M115.645739; 2015