Ab November muss auf allen Rezepten auch die Dosierung der Arzneimittel vermerkt sein. Neben der Frage, wo dafür überhaupt noch Platz sein soll, sehe ich noch ein weiteres Problem.
Im Oktober 2019 legte die 18. Novelle der Arzneimittelverschreibungsverordnung fest, dass ab dem 1. November 2020 bei allen Verschreibungen von Humanarzneimitteln künftig immer eine Angabe zur Dosierung auf dem Rezept stehen muss. In den Apotheken regen sich große Zweifel, ob das immer umsetzbar sein wird.
Noch einen Monat haben wir also Karenzzeit, bevor unsere Abspracheprobleme mit den Arztpraxen wieder von vorne beginnen. Es war so schön, dass wir während der Coronakrise alle Bagatellproblemchen mit der korrekten Rezeptausstellung ohne die „Unterstützung“ der Mitarbeiter in den Arztpraxen regeln konnten. Wir durften aut-idem-Kreuze ignorieren, wenn das Arzneimittel nicht verfügbar war, wir durften Rabattverträge übergehen, wenn der Patient das Medikament dringend sofort benötigt hat, wir durften die Mengen verändern und 2 x 50 Tabletten abgeben, wenn die 100 Tabletten zurzeit nicht lieferbar sind. Und das alles, ohne die Praxen anzurufen und diese Unvermeidlichkeiten mitzuteilen und damit deren Zeit zu stehlen.
Doch diese Freiheit endet im November abrupt, und wir werden alle wieder das sein, was wir vor der Krise schon waren. Die Besserwisser und Nervensägen aus der Arzneimittelbutze von schräg gegenüber. Angeblich sollten die ersten Dosierungsanleitungen bereits im Oktober auf den Rezepten zu finden sein, da die Arztsoftware ein paar Wochen benötigt, um überall gleichermaßen zuverlässig zu funktionieren. Ich würde behaupten, bisher ist es bei uns nicht einmal jedes zehnte Rezept, das diese schon bald so wichtigen Angaben trägt.
Es gibt aber auch Ausnahmen von der neuen Regel, die diese Dosierung so zwingend nötig machen. Liegt dem Patienten beispielsweise ein Medikationsplan vor, der die verschriebenen Arzneimittel umfasst, oder hat er eine entsprechende schriftliche Dosierungsanweisung von seinem Arzt erhalten, dann darf sie fehlen. Das muss dann aber auch in der Verschreibung kenntlich gemacht werden. Ich kenne Apotheker, die bereits den Gedanken haben, sich einen „Medikationsplan wurde dem Patienten ausgehändigt“- Stempel zuzulegen. Wobei hier die Frage noch offen ist, ob dieser Stempel dann noch mit dem Kürzel des Arztes beglaubigt werden müsste …
Gut, sollte diese neu geforderte Dosierungsangabe fehlen, dann kann der Apotheker sie in einem dringenden Fall auch selbst ergänzen sofern sie ihm „zweifelsfrei bekannt sind“. Das darf er sogar dann, wenn eine Rücksprache mit dem Arzt nicht möglich ist. Doch wie müssen wir dann genau vorgehen? Wir müssen den Patienten fragen, der das im günstigsten Fall auch direkt weiß. Und der im günstigsten Fall auch gerade vor uns steht und das Rezept nicht seiner Frau, dem Nachbarn oder dem Enkel in die Hand gedrückt hat, um es in der Apotheke für ihn zu besorgen. Offen ist auch die Frage, wie wir mit unterschiedlichen, weil schwankenden Dosierungen wie beispielsweise bei Insulin vorgehen sollen. Muss dann der ganze Dosierungsplan dort vermerkt werden?
Wir hoffen jetzt einfach einmal ganz fest, dass wir dann auf dem Rezept auch noch ein Plätzchen finden, um unseren Text unterzubringen.
Thomas Luft, Post-Apotheke Neckarhausen
Im Grunde ist es einfach ärgerlich, dass die Apotheken am Ende für Versäumnisse der Arztpraxen bestraft werden. Denn es ist ganz klar, was passiert, wenn diese die Dosierung vergessen haben: Es wird ein neuer Retaxgrund für die Apotheken werden. Wir bekommen dann von den Krankenkassen kein Geld, obwohl wir ein Medikament korrekt beliefert haben, das auch genauso verordnet wurde. Der Arzt macht also den Fehler und der Apotheker wird dafür bestraft. Und bestraft wird auch der Patient, der im Grunde nur seine Medikamente von uns haben möchte, denn er muss jetzt nochmal länger warten, bis alle Formalien abschließend geklärt sind.
Nach der Frage, ob das Arzneimittel überhaupt lieferbar ist und die Abgabe den Vorgaben der Rabattverträge entspricht, kommt jetzt noch die Frage, ob die Dosierung vermerkt ist. Ich ahne bereits, dass wir zukünftig wieder unsere Telefonnummer unterdrücken müssen, wenn wir in den Praxen anrufen. Wenn die nämlich erkennen, dass wir es sind, die zum hundertsten Mal am Tag bei ihnen durchklingeln, nur um zu fragen, wie Herr Müller-Lüdenscheidt seine Ramipril einnehmen soll, die er seit 15 Jahren verordnet bekommt, dann fragen die sich auch, ob wir noch ganz normal ticken, oder? Wie ich gehört habe, genügt inzwischen der kleine Zusatz „Dj“ auf dem Rezept, wenn ihn der Arzt vermerkt hat. Dieser wird wohl jetzt häufiger routinemäßig aufgedruckt, und bedeutet: „Dosierung: ja“, also dass die Dosierung bekannt ist.
Grundsätzlich sollte die Angabe der Dosierung auf dem Rezept eigentlich einmal der Einnahmesicherheit dienen. Es scheint allerdings so, als wäre sie jetzt schon zu einem reinen Instrument verkommen, um die Apotheken wieder einmal (ungerechtfertigt) zur Kasse zu bitten.
Bildquelle: Dan Dimmock, unsplash