Die Präfusionsform eines Virus ist ein attraktives Ziel für die Forschung: Medikamente und Impfstoffe können hier ansetzen. Jetzt liegt eine neue Studie zum Fusionsablauf von Herpesviren mit der Wirtszelle vor.
In einer Studie des Heinrich-Pette-Instituts, Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI) und weiteren Partnern wurde mittels eines multimethodischen Ansatzes der Fusionsablauf von Herpesviren mit der Wirtszelle beim Zelleintritt genauer analysiert. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stand dabei die Präfusionsstruktur des im Herpes-simplex-Virus 1 (HSV-1) vorkommenden Glykoprotein B. Die Studien-Ergebnisse sind nun in Science Advances erschienen.
Herpesviren wie das HSV-1 gehören zur Klasse der umhüllten Viren. Bei allen umhüllten Viren katalysieren während des Viruseintritts in die Wirtszelle spezialisierte Oberflächenproteine die Verschmelzung der viralen mit der zellulären Membran. Diese Membranverschmelzung wird durch eine strukturelle Konformationsänderung dieser Proteine von einer metastabilen Prä- zu einer stabilen Postfusionsform erreicht.
Die Präfusionsform stellt ein attraktives Ziel für die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen dar. Jedoch macht die Metastabilität die Proteine hochgradig instabil, so dass sie sich leicht in die Postfusionsform umfalten. Damit ist die Identifizierung von Möglichkeiten zur Stabilisierung der Präfusionskonformation ein wichtiger Schritt bei der Impfstoffentwicklung.
Die nun erschienene Publikation konzentriert sich auf das Membranfusionsglykoprotein B des HSV-1. Im Rahmen der Studie wurden konservierte Sequenzsignaturen identifiziert. Diese entscheidenden Daten erlaubten die Durchführung von Molecular-Dynamics-Simulationen, die eine präzise Vorhersage für die Position zur Einführung einer Mutation ergaben. Experimente zur genaueren Charakterisierung zeigten, dass diese Mutation das Protein strukturell und funktionell in seiner Präfusionsform stabilisiert. Mittels Elektronen-Kryotomographie war es damit möglich, die Struktur der Präfusionsform mit einer Auflösung im Sub-Nanometer-Bereich zu bestimmen.
Die Ergebnisse erlauben die eindeutige Bestimmung der Domänenanordnung und damit der wesentlichen strukturellen Veränderungen, die erforderlich sind, um die Membranfusionsreaktion voranzutreiben. Hinzu kommt eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zu den bereits bekannten Konformationsänderungen des vesikulären Stomatitis-Virus-Glykoprotein G. „Obwohl beide Proteine aus evolutionär scheinbar nicht verwandten Virusfamilien stammen, sind die Anordnung und Struktur ihrer einzelnen Domänen konserviert“, erklärt Studienleiter Prof. Kay Grünewald.
Sowohl das Fusionsglykoprotein B als auch das Stomatitis-Glykoprotein G gehören beide zu den Membranfusionsproteinen der Klasse III. „In Kombination mit unserer vergleichenden Sequenz-Struktur-Analyse deutet dies auf eine gemeinsame Domänenumlagerung in allen viralen Fusionsproteinen der Klasse III hin. Antikörper oder antivirale Medikamente, die diese Konformationsänderung beeinträchtigen, könnten einen klinisch relevanten Schutz liefern. Unsere Ergebnisse stellen damit einen ersten Schritt zur Entwicklung neuer Medikamente gegen humanpathogene Herpesviren dar“, fasst Erstautor Dr. Benjamin Vollmer die Ergebnisse zusammen.
Zur Pressemitteilung des Heinrich-Pette-Instituts geht es hier.
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