Nachdem bei US-Präsident Donald Trump eine SARS-CoV-2-Infektion festgestellt wurde, wird er nun mit allerhand Medikamenten behandelt. Diese Art der Behandlung gab es noch nie.
Am Wochenende wurde bekannt, dass Trumps Gesundheitszustand zwischenzeitlich schlechter war, als zunächst von offizieller Stelle und Trump selbst bekannt gegeben. So sagt der US-Präsident in einem kurzen Video, dass er am Freitagabend aus „reiner Vorsichtsmaßnahme“ in ein Krankenhaus gehe und er glaube, es ginge ihm gut. Von Symptomen war da noch keine Rede.
Am Samstagabend erklärte sein Leibsarzt dann allerdings auf einer Pressekonferenz, dass Trump am Freitagmorgen an hohem Fieber litt und zusätzlich Sauerstoff erhielt; die Sauerstoffsättigung war unter 94 Prozent gefallen.
In der Klinik erhielt er eine einzelne 8-Gramm-Dosis des experimentellen Antikörper-Cocktails REGN-COV2. Erst Anfang letzter Woche hatte das Unternehmen Regeneron erste Ergebnisse in einer Pressemitteilung vorgestellt. Diese sind allerdings noch nicht unabhängig begutachtet worden. Darin heißt es, dass 275 nicht-hospitalisierte Patienten den Mix von zwei Antikörpern in unterschiedlicher Dosierung beziehungsweise ein Placebo erhalten hatten. Die Antikörper richten sich gegen zwei Regionen des Spike-Proteins auf der Oberfläche von Sars-CoV-2.
Dem Unternehmen zufolge führte die Behandlung zu einer Reduzierung der Viruslast und zu einem rascheren Abklingen der Symptome. Am stärksten profitierten demnach diejenigen Probanden, deren Immunsystem noch keine eigenen Antikörper gegen das Virus gebildet hatte.
Zusätzlich zum Antikörper-Mix nimmt Trump einem offiziellen Schreiben nach Vitamin D, Zink, täglich eine Aspirin, das Schlafhormon Melatonin sowie Famotidin ein. Bei Famotidin handelt es sich um ein H2-Rezeptorenblocker, der zur Behandlung von Sodbrennen bzw. der Refluxkrankheit eingesetzt wird. Zu Beginn der Pandemie hatten chinesische Mediziner Hinweise darauf gefunden, dass Menschen, die das Mittel nehmen, ein geringes Risiko haben, an COVID-19 zu sterben (wir berichteten). Eine kleine retrospektive Studie, die kürzlich im American Journal of Gastroenterology veröffentlicht wurde, konnte diese Beobachtung bestätigen.
Nach Einlieferung ins Krankenhaus am Freitag bekam Trump auch seine erste Dosis des Virustatikums Remdesivir. Das ursprünglich als Ebola-Medikament ist auch in der EU unter Auflagen zur Behandlung von COVID-19 zugelassen. Eine Studie hatte gezeigt, dass Remdesivir die Zeit bis zur Genesung von COVID-19-Patienten um vier Tage verkürzen kann – von 15 auf 11 Tage. Aktuell prüft die EU-Arzneimittelbehörde EMA nach eigenen Angaben Berichte über mögliche Nierenschäden durch die Einnahme von Remdesivir.
Die Behörde erklärt darin, es lägen Berichte vor, wonach einige COVID-19-Patienten nach der Einnahme des Medikaments akute Nierenschäden erlitten hätten. Nun werde untersucht, ob es einen ursächlichen Zusammenhang gebe. Es sei ebenso möglich, dass COVID-19 selbst Nierenschäden verursachen könnte.
Am Samstag sank Trumps Sauerstoffsättigung ein zweites Mal unter 95 Prozent; ob ihm zusätzlich Sauerstoff zugeführt werden musste, ist unklar. Die New York Times spekuliert, dass es sich hierbei um einen Indikator der Schwere seiner Erkrankung handeln könnte. Bei milden Verläufen ist die Gabe zusätzlichen Sauerstoffs selten.
Neben einer zweiten Dosis Remdesivir erhielt Trump außerdem das Steroid Dexamethason. Trump selbst hatte das Mittel zu Beginn der Pandemie als „Wundermittel“ bezeichnet. Inzwischen ist es sowohl in den USA als auch in der EU zur Behandlung schwerer COVID-19-Fälle zugelassen (wir berichteten). Bei milden Verläufen hatte Dexamethason in Studien hingegen keinen Vorteil für COVID-19-Patienten gezeigt.
Die Gabe von Dexamethason könnte ebenfalls ein Anzeichen dafür sein, dass Trump schwerer erkrankt ist, als es nach außen den Anschein hat. So erklärt Dr. Thomas McGinn, leitender Arzt bei Northwell Health, dem größten Gesundheitsdienstleister im Staat New York, gegenüber der New York Times: „Das Dexamethason ist das rätselhafteste der Medikamente, die ihm zu diesem Zeitpunkt verabreicht werden.“ Das Medikament würde normalerweise nicht angewendet, es sei denn, der Zustand des Patienten scheint sich zu verschlechtern. McGinn weiter: „Das wirft die Frage auf: Ist er kränker, als wir hören oder sind die Ärzte übermäßig aggressiv, weil er der Präsident ist, in einer Weise, die möglicherweise schädlich sein könnte?“
Präsident Trumps Behandlung ist damit zum medizinischen Experiment geworden. Noch nie wurde jemand gleichzeitig mit einem experimentellen Antikörper-Mix, Famotidin, Remdesivir und Dexamethason behandelt. Mögliche Wechselwirkungen dieser Medikamente kennt man nicht. Wie das Experiment ausgehen wird, werden die nächsten Tage zeigen. In seinen Videobotschaften macht er jedenfalls nicht den Eindruck eines schwerkranken COVID-19-Patienten. Seine Ärzte sind natürlich zuversichtlich, was den Genesungsprozess angeht: Vermutlich könne er am Montag bereits wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden.
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