Weichmacher im Plastik, Pestizide im Gemüse und Antibiotika im Fleisch – der Körper scheint mit gefährlichen Schadstoffen bombardiert zu werden. Kein Wunder also, dass viele Menschen das Gefühl haben, sie müssten ihren Körper „entgiften“. Der neueste Trend: Zeolith.
Findige Geschäftsleute haben einen weiteren Verkaufsschlager aus dem Hut gezaubert: Zeolith ist der neue Star am Detox-Himmel. Dem Vulkanmineral werden zahlreiche Wirkungen zugesprochen: Fein gemahlen und als Kapsel oder Pulver geschluckt, soll es unter anderem wie ein Filter Schadstoffe wie Schwermetalle und Stoffwechselgifte binden und aus dem Körper schleusen. Zudem soll es freie Radikale neutralisieren und so das Immunsystem unterstützen – das versichern zumindest die Hersteller. Zudem wird behauptet, dass eine regelmäßige Entgiftung des Körpers eine wichtige Rolle beim Kampf gegen Krankheiten wie Herz-Kreislaufbeschwerden, Burn-Out, Diabetes und Krebs spielt. Tatsächlich bilden Zeolithe eine Stoffgruppe, deren Mitglieder sowohl in der Natur vorkommen als auch synthetisch hergestellt werden. Dank ihrer mikroporösen Gerüststruktur werden Zeolithe als Ionenaustauscher beispielsweise zur Wasserenthärtung in Waschmitteln oder zur Beseitigung von Schwermetallen aus Abwässern verwendet. Ebenso werden sie aufgrund ihrer hohen Adsorberkapazität als Trocknungssystem in Geschirrspülern eingesetzt. Außerdem können sie sowohl als Molekularsieb wie auch als Katalysator dienen. Obwohl die Hersteller von Detox-Zeolith einen Wirksamkeitsnachweis schuldig bleiben, ist also aufgrund der physikalisch-chemischen Eigenschaften dieser Stoffgruppe zumindest denkbar, dass Giftstoffe aus der Nahrung von Zeolithen gebunden werden könnten. Im Körper gespeicherte Gifte und „Schlacken“ könnten auf diese Weise jedoch nicht entfernt werden.
Neben Zeolith gehören auch Darmspülungen, Laxanzien, Diuretika, Schüßler-Salze und Vitamin-Kuren zum Detox-Universum. Sogar spezielle Detox-Cremes, Duschgels, Shampoos und Pflaster gibt es. Die gemeinnützige Stiftung „Sense about Science“ aus Großbritannien hat die Hersteller zahlreicher Detox-Produkte gebeten, die Wirkungsweise ihrer Produkte zu erklären und Studien zur Wirksamkeit vorzulegen. Die Ergebnisse der Stiftung sind ernüchternd: Jeder Hersteller schien eine andere Definition von „Detox“ zu verwenden, und in vielen Fällen wurden falsche Aussagen zur Funktionsweise des menschlichen Körpers gemacht. Falls überhaupt Studienergebnisse zur Wirksamkeit vorgewiesen werden konnten, handelte es sich um kleine Probandenzahlen ohne Kontrollgruppe. Die Autoren einer Meta-Analyse aus dem Jahr 2014 kommen zu einem ähnlichen Ergebnis: Bezüglich der Wirksamkeit von Detox-Programmen gebe es nur eine sehr geringe Anzahl an klinischen Studien, deren Aussagekraft durch methodische Fehler und kleine Gruppengrößen gering sei. Randomisierte, kontrollierte Studien zu diesem Thema gibt es bis heute keine. Während also verlässliche Studien zur Wirksamkeit und zu den Risiken von Detox-Produkten auf sich warten lassen, rücken Berichte über besorgniserregende Einzelfälle die Präparate zur Entgiftung zunehmend in ein schlechteres Licht. Bei einem 19-jährigen Mann führte beispielsweise eine im Internet angepriesene Detox-Kur zur Entwicklung eines Serotonin-Syndroms. In einem weiteren Fall verstarb ein 50-Jähriger Spanier an einer Mangan-Vergiftung, nachdem er im Rahmen einer Leber-Detox-Diät Bittersalz zu sich genommen hatte. Auch bei zahlreichen anderen Patienten trat dieselbe Symptomatik auf – alle hatten dasselbe Produkt konsumiert. Klinische und forensische Untersuchungen ergaben, dass der Hersteller versehentlich Mangansulfat-Hydrat statt Magnesiumsulfat-Hydrat verkauft hatte.
Kombiniert wird der Verkauf teurer Detox-Produkte meist mit Gesundheitstipps wie einem Verzicht auf Kaffee, Alkohol und Nikotin, einer ballaststoffreichen Ernährung mit viel Obst und Gemüse sowie ausreichender Flüssigkeitszufuhr und mehr körperlicher Ertüchtigung. „Die Detox-Tipps einzeln für sich genommen sind nicht per se schlecht, aber tatsächlich werden hier Halbwahrheiten zusammengerührt und mit haarsträubenden Begründungen zu einem Konzept erhoben, das keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhalten würde“, erklärt Prof. Stephan Bischoff, Ernährungsmediziner an der Universität Hohenheim. Schädlich seien kurzfristige Detox-Auszeiten zwar in der Regel nicht, aber: „Alles, was länger als ein bis zwei Wochen geht, könnte den Menschen in eine Nährstoffunterversorgung katapultieren“, warnt Bischoff.
Es ist nachvollziehbar, warum die Idee, sich von den Sünden eines ungesunden Lebensstils durch eine Detox-Kur wieder reinzuwaschen, so attraktiv ist. Grundsätzlich stellt sich jedoch die Frage: Muss der Körper überhaupt regelmäßig entgiftet werden? Eine Entgiftung (Detox) im medizinischen Sinn ist in erster Linie bei Vergiftungen indiziert, beispielsweise durch Alkohol, Medikamente oder Drogen. Zudem entgiftet sich der menschliche Körper laufend selbst. „Unsere Nieren, unsere Leber und unser Gastrointestinaltrakt sind alle darauf ausgelegt, Toxine innerhalb weniger Stunden nach der Ingestion zu entfernen oder zu neutralisieren“, erläutert Prof. Simon Brooks, Leiter der Abteilung für Humanphysiologie an der australischen Flinders University. Hinweise darauf, dass sich im Laufe der Zeit irgendwo im Körper „Schlacken“ ansammeln, gibt es dagegen nicht – der Begriff stammt übrigens aus der Metall-, Öl- und Kohleindustrie und bezeichnet dort Rückstände bei Verarbeitungs- und Verbrennungsprozessen. Für Brooks ist daher klar, dass Detox „Unsinn“ sei. Gleichwohl kann er den Detox-Diäten immerhin auch einen positiven Aspekt abringen, da sie Menschen dazu bringen könnten, gesünder zu leben und auf Junk Food zu verzichten. „Aber die Idee, dass nach Jahren einer ungesunden Ernährung eine zweitägige oder zweiwöchige Detox-Kur alle Probleme lösen wird, nun ja, das ist eine Wunschvorstellung“, so Brooks.