Das geplante Freihandelsabkommen TTIP sorgt für gesundheitspolitische Kontroversen. Mit einer kleinen Anfrage wollten die Grünen unter anderem in Erfahrung bringen, was Apotheken zu erwarten haben. Regierungsvertreter beruhigen – ohne selbst viele Details zu kennen.
Klare Worte in seltener Einstimmigkeit: Schon im Mai hatten Spitzenvertreter der Apotheker, Ärzte und Zahnärzte erklärt, Freihandelsabkommen wie TTIP dürften die Behandlungsqualität, den schnellen Zugang zur Gesundheitsversorgung und das hohe Patientenschutzniveau nicht beeinträchtigen. Sie forderten auch, zentrale Prinzipien rund um Freiberuflichkeit beziehungsweise Selbstverwaltung zu schützen. Nach wie vor laufen die Gespräche zum transatlantischen Abkommen im stillen Kämmerlein. Abgeordnete der Grünen wollten deshalb wissen, inwieweit Ausnahmeregelungen bei TTIP das deutsche Gesundheitssystem untergraben. Maria Klein-Schmeink erwähnt hier explizit den Apothekenmarkt. Auf das Schreiben hat Matthias Machnig (SPD) geantwortet. Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bleibt in weiten Teilen äußerst vage. Ein Überblick:
„Die Bundesregierung ist sich der besonderen Bedeutung der Sozialversicherung als wesentliches Fundament für den Sozialstaat bewusst“, schreibt Machnig gleich zu Beginn. „Die Sozialversicherung in Deutschland darf daher in ihrer Funktionsweise durch TTIP oder andere Handelsabkommen nicht beeinträchtigt werden.“ Im Kapitel „Finanzdienstleistungen“ würden entsprechende Punkte ausgenommen. Wie bei CETA wollen sich Politiker auch bei TTIP dafür einsetzen, dass Deutschlands Sozialversicherungssystem nicht unter die Räder kommt. Wie sich dieses hehre Ziel erreichen lässt, „kann die Bundesregierung derzeit noch nicht abschließend beantworten“. Das hänge davon ab, wie Ausnahmeklauseln gestaltet würden. GKV-Leistungen laut V. Buch des Sozialgesetzbuchs sollen bei Marktöffnungsverpflichtungen unangetastet bleiben.
Weiter geht es mit der Frage, inwieweit geltende Regulierungen des Apothekenmarkts vom Freihandelsabkommen berührt werden. Bei CETA hatte die Verhandlungskommission zumindest erreicht, unantastbare Prinzipien zu schützen. Dabei geht es um den Fremd- und Mehrbesitz, aber auch um die Apothekenpflicht und um den Markteintritt von Personen ohne apothekerliche Approbation. „Die Bundesregierung wird auch in TTIP entsprechende Bestimmungen anstreben“, so Matthias Machnig. Mittel und Wege nennt der Staatssekretär jedoch nicht. Im kürzlich veröffentlichten Dokument „Transatlantic Trade and Investment Partnership – Services and Investment Offer of the European Union“ bekennt sich die EU unter „Reservation No. 6“ zu deutschen Regularien.
Machnig geht auch auf die heikle Frage ein, ob Rx-Werbeverbote in Laienmedien gelockert werden könnten: „Die TTIP-Verhandlungen verfolgen nicht das Ziel einer Änderung von europäischen Rechtsvorschriften.“ Nach Kenntnis von Regierungsvertretern seien derartige Themen bislang kein Verhandlungsgegenstand. Anders sieht die Sache bei Regeln zur Festsetzung von Arzneimittelpreisen aus, sprich bei Rabattverträgen, Festbeträgen oder beim umstrittenen AMNOG. Bekanntlich pochen US-Verhandler auf mehr Transparenz und haben ihren Willen bei Verträgen mit Südkorea bereits durchgesetzt. EU-Gesundheitsexperten streben jedoch an, solche Vereinbarungen nicht in die Verhandlungen zu integrieren – mit offenem Ende. Ähnlich nebulös sieht die Sache beim Ausgleich bestehender Patentregelungen für Pharmazeutika und Biologicals aus. Machnig: „Eine Verhandlungsposition der US-Seite hierzu ist der Bundesregierung nicht bekannt.“ Das trifft auf Medizinprodukte ebenfalls zu – bislang wollte niemand verschiedene Zugangssysteme harmonisieren.
Etwaige Maßnahmen zum Investitionsschutz lassen Regierungsvertreter genauso kalt. Matthias Machnig verweist erneut auf CETA. Kein Passus verbiete strengere Regelungen für Arzneimittel oder Medizinprodukte. Über die „präzise und enge Definition der Investitionsschutzstandards“ versuchen EU-Experten, Schadensersatzansprüche von Investoren auszuschließen. Politiker wollen auch erreichen, dass Parlamente ihr Recht zur Änderung von Gesetzen nicht verlieren. Als besonders kontrovers gelten Investor-Staat-Schiedsverfahren. Ob tatsächlich ein spezieller Investitionsgerichtshof mit genauen Regularien etabliert wird, wie es die Bundesregierung gerne hätte, steht in den Sternen. Von CETA der Sprung zum TTIP: Eine endgültige Entscheidung sei erst nach Vorlage der Verhandlungsergebnisse möglich, heißt es im Brief.
Oppositionsvertreter sind von derart nebulösen Antworten wenig begeistert. „Die Antwort der Bundesregierung zeigt, dass bei TTIP zahlreiche Risiken für das Gesundheitswesen zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden können, da das Abkommen noch nicht ausverhandelt ist“, kritisiert Maria Klein-Schmeink. Mit reinen Absichtserklärungen ist wenig gewonnen. „Regeln für die Nutzenbewertung könnten so doch noch Gegenstand des Abkommens werden, auch zum Preismoratorium und zu Rabattverträgen könnte noch etwas auf den Verhandlungstisch kommen.“ Wie viel die Bundesregierung derzeit wirklich weiß, ist eine andere Frage.