Manchmal reicht die verfügbare Evidenz nicht aus, um den Nutzen einer Behandlung sicher zu belegen. Diese Unsicherheit wollen wir auch in unseren Gesundheitsinformationen sprachlich vermitteln. Aber wie beeinflusst das unsere Leserinnen und Leser – wir haben dazu geforscht.
Vor der Erstellung oder Aktualisierung unserer Gesundheitsinformationen recherchieren wir systematisch zu den Fragen von Patentinnen und Patienten – etwa zum Nutzen bestimmter Therapieverfahren bei einer Erkrankung. Aus den Rechercheergebnissen wählen wir die Evidenz mit der höchsten Qualität für unsere Texte aus. Aber manchmal sind das eben Studien mit methodischen Schwächen.
Das fließt dann auch in unsere Texte ein: Wenn gute Studien fehlen, verzichten wir zum Beispiel generell auf unser Format „Was Studien sagen“. Trotzdem wollen wir unsere Leserinnen und Leser auch zu weniger erforschten, aber in der Praxis gängigen Verfahren informieren. Das geeignete Format dafür sind unsere „Mehr Wissen“-Texte. Dort beschreiben wir auch, dass Aussagen unsicher sind, wenn sie nur auf Evidenz mit eingeschränkter Qualität beruhen. Aus den Nutzertestungen, die unsere Informationen vor Veröffentlichung durchlaufen, wissen wir, dass Patientinnen und Patienten ganz unterschiedlich mit der Unsicherheit umgehen – die Neutralität und Offenheit aber oft zu schätzen wissen.
Um repräsentativere Daten zu der Frage zu sammeln, ob die Beschreibung von Unsicherheiten unseren Leserinnen und Lesern dabei hilft, den Nutzen und Schaden einer Therapie einzuschätzen, hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitsweisen (IQWiG) nun gemeinsam mit der Universität Erfurt eine große Studie zur Darstellung von Unsicherheiten in Gesundheitsinformationen durchgeführt.
Was haben wir untersucht?
In der Studie wurden rund 1700 Erwachsene zu einer von insgesamt acht Versionen einer Gesundheitsinformation zu einem fiktiven Tinnitus-Medikament randomisiert. Dessen Nutzen wurde immer in absoluten Zahlen dargestellt:
Nutzendarstellung in absoluten Zahlen (Ausschnitt aus den getesteten Texten)
Die acht Versionen unterschieden sich hinsichtlich der sprachlichen Formulierung der Sicherheit des Ergebnisses – zum Beispiel durch abgestufte Formulierungen wie „Studien zeigen“ (sicher) oder „Studien weisen darauf hin“ (weniger sicher).
Die Testversionen mit Unsicherheitsformulierung enthielten außerdem zusätzlich eine oder mehrere Angaben zur Quelle der Unsicherheit, etwa durch Ergänzungen wie „An den Studien nahmen nur wenige Personen teil“ oder „Der Hersteller hat nicht alle Studien veröffentlicht“.
Die Teilnehmenden wurden nach Lesen des jeweils zugeordneten Textes gefragt, wie sie die Wirksamkeit des Mittels einschätzten.
Was waren die Ergebnisse?
Unterschiedliche sprachliche Abstufungen der Unsicherheit hatten keinen Einfluss auf die Einschätzung der Probandinnen und Probanden. Auch zwischen den verschiedenen genannten Quellen von Unsicherheiten zeigten sich keine Unterschiede.
Wurden drei Quellen von Unsicherheit präsentiert wurde, schätzen die Teilnehmenden die Wirksamkeit des Medikaments etwas häufiger als unklar ein.
Auffällig war, dass die Studienteilnehmerinnen und –teilnehmer auch in dem Text, der keine sprachliche Unsicherheit enthielt, nur selten einen Nachweis der Wirksamkeit sahen. Das könnte daran liegen, wie die Größe des Behandlungseffekts angegeben wurde. Sie war in allen Texten gleich: verglichen mit Placebo profitierten 5 von 100 zusätzlich von dem fiktiven Medikament.
Negative Auswirkungen zeigten sich nicht. Die Textqualität wurde in allen Gruppen ähnlich bewertet.
Unser Fazit
Die Ergebnisse zeigen: Abstufungen der Unsicherheit in Gesundheitsinformationen werden von Leserinnen und Lesern nicht in der Feinheit wahrgenommen, wie sie intendiert sind.
Wir brauchen weitere Untersuchungen, um besser zu verstehen, warum die Beschreibung der Unsicherheiten die Leserinnen und Leser kaum in ihre Einschätzung von Nutzen und Schaden beeinflusst. Es gibt aber keinen Grund, Unsicherheiten zu verschweigen - negative Auswirkungen zeigten sich keine.
Quelle:
Büchter, R., Betsch, C., et al.: Communicating Uncertainty in Written Consumer Health Information to the Public:Parallel-Group, Web-Based Randomized controlled Trial. J Med Internet Res 2020; 22 (8)
Hier geht es zum freizugänglichen Volltext: https://www.jmir.org/2020/8/e15899/