Die überraschende Insolvenz des größten privaten Rezeptabrechnungsunternehmens könnte viele Apotheken mit in den Ruin reißen. Was ist passiert?
Die AvP war Deutschlands größtes privates Rezeptabrechnungsunternehmen für öffentliche Apotheken. Sie wickelte die Abrechnung der eingereichten Rezepte mit den verschiedenen Krankenkassen ab und leitete die Gelder an die Apotheken weiter. Das Dienstleistungsunternehmen arbeitete seit über 70 Jahren bundesweit mit mehreren Standorten, und hat nun für viele völlig überraschend am 15. September 2020 seine Insolvenz angekündigt. Ein entsprechendes Kundenanschreiben erfolgte am 17. September 2020.
Viele Apotheken, die ihre Gelder sicher wähnten, stehen nun am finanziellen Abgrund und wissen nicht, wie sie ihre Mitarbeiter, die Miete oder ihre Großhandelsrechnungen begleichen sollen.
Auch die Apothekerin Nadine Freialdenhoven macht im Video klar, wie weitreichend die Konsequenzen dieser Pleite sind. Sie ist selbst Inhaberin von vier Apotheken.
Bundesweit sind von der AvP-Pleite etwa 3.000 öffentliche Apotheken betroffen – das ist bei den deutschlandweit ungefähr 19.000 öffentlichen Apotheken circa jede sechste. Das Abrechnungszentrum arbeitete auch im Auftrag von Krankenhausapotheken, Ärzten und sonstiger Leistungserbringer, doch diese machten nur einen kleinen Teil der nun betroffenen Kunden aus. Hunderte Millionen Euro wurden seit August nicht mehr ausgezahlt, pro Apotheke geht es dabei im Schnitt um etwa 120.000 Euro. Viele Apotheker dachten, dass sich ihre Gelder aus der Abrechnung mit den Krankenkassen auf Treuhandkonten befinden und dort sicher sind, doch offenbar war dies ein Trugschluss.
Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen zwei Personen, die vor dem Insolvenzantrag Vermögenswerte beiseite geschafft haben sollen. Auch die Bankenaufsicht BaFin, unter deren Kontrolle die AvP stand, hat eine Strafanzeige erstattet.
Als Insolvenzverwalter der AvP wurde Dr. Jan-Phillip Hoss bestellt, die BaFin hat als Geschäftsleiter Herrn Ralf R. Bauer eingesetzt. In einer Pressemitteilung vom 22. September 2020 wurde angekündigt, dass nun beide prüfen, ob das Guthaben, das sich auf den Geschäftskonten befindet, Bestandteil einer Insolvenzmasse ist, oder ob den betroffenen Apotheken ein Aussonderungsrecht zusteht. Auch der Verbleib der Gelder, für die Rezepte, die sich noch im Zugriff der AvP befinden und die von den Krankenkassen bezahlt werden müssen, ist noch ungeklärt. Das Geschäft mit den Krankenhausapotheken wird derzeit noch weitergeführt.
Staatliche Hilfen für die betroffenen Apotheken fordert unter anderem Sylvia Gabelmann von den Linken, der Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas, der viele Apotheken vertritt, fordert einen Sonderkredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau.
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