Mir sind Fortbildungen extrem wichtig. Leider habe ich als Praxisärztin momentan das Gefühl, in unnötigen Pflicht-Schulungen zu ersticken. Vor allem eine bringt mich auf die Palme.
Generell mag ich den Gedanken des lebenslangen Lernens. Ich bin selbst jemand, der sich für viele Dinge interessiert und zwischendurch gern etwas Neues lernt. Nicht nur im Bereich Medizin, sondern auch privat.
Leider habe ich momentan das Gefühl, dass ich von ärztlicher Seite in Pflicht-Schulungen ersticke und gleichzeitig nicht die Fortbildungen machen kann, die mir bei der Arbeit wirklich helfen bzw. mich interessieren.
Was meine ich mit Pflicht-Schulungen? Nicht die regulären CME-Fortbildungen mit den 250 Punkten in 5 Jahren. Die hatte ich schon mit den Dingen, die mich interessieren, nach 2,5 Jahren voll. Nein – ich meine die Fortbildungen, die zusätzlich noch notwendig sind. Vor allem, um bestimmte Abrechnungs-Berechtigungen zu erhalten.
Da sind allen voran die DMP-Fortbildungen. Jedes Jahr geht quasi ein ganzer Tag dafür drauf, dass mir meistens in drei von vier Untereinheiten (Asthma, COPD, Diabetes, KHK) erzählt wird, dass sich nicht wirklich viel verändert hat. Die Referenten versuchen natürlich trotzdem, es interessant zu gestalten, aber man kann halt nur begrenzt variieren, wenn jedes Jahr wieder dieselben Dinge besprochen werden SOLLEN. Würde da nicht wirklich alle 2–3 Jahre reichen?
Dazu kommen dann die anderen Pflicht-Veranstaltungen. Regelmäßige Qualitäts-Zirkel für die Hausarzt-Verträge, für die Palliativversorgung, und so weiter. Wenn man davon nicht genug absolviert, verliert man von der KV-Seite aus die Berechtigung, bestimmte Dinge abzurechnen (z. B. die allgemeine ambulante Palliativversorgung). Und natürlich hilft es auch, um bestimmte Kontakte/Netzwerke zu knüpfen und zu wissen, wie die anderen Kollegen so ticken. Aber die absolute Menge wird manchmal schon etwas arg viel.
Dazu noch die „normale“ Praxisbelastung und die Dienste hier – da ist wirklich langsam jede zweite Woche irgendeine abendliche Veranstaltung.
Und dann hat man noch keine Veranstaltung einfach deswegen besucht, weil das Thema so interessant oder klinisch relevant ist. Ich würde wahnsinnig gern mal einen Gelenk-Ultraschallkurs machen. Viele Patienten haben Fragen zu ihren Gelenkschmerzen oder Schwellungen und während ich dann bei Bauchschmerzen eben schnell zum Sonogerät greifen kann, fühle ich mich da bei Gelenken nicht wirklich kompetent. Und von dem, was ich von anderen Kollegen auf Fortbildungen gehört habe, könnte man sich damit so manches MRT erstmal ersparen.
Leider wäre das nochmal ein viertägiger Kurs am anderen Ende von Deutschland. Und wenn man Kindergartenkinder zu Hause hat, überlegt man sich das gut. Mein Mann ist ja auch berufstätig und vier Tage Abwesenheit bringen bei uns das ganze System durcheinander. Und nein, sein Chef hat überhaupt kein Verständnis dafür, dass er auch Teilzeit arbeitet, um mich in meinem Beruf zu unterstützen. Das ist für einen Ingenieur nicht vorgesehen. Dementsprechend ist auch völlig klar, dass wir da keine Unterstützung erwarten dürfen.
Unter diesen Vorzeichen kann ich mir nicht vorstellen, so richtig aufwendige Weiterbildungen zu machen wie manuelle Medizin, Akupunktur, spezialisierte Palliativversorgung oder Ernährungsmedizin. Ich finde das zwar auch sehr interessant, aber ich hätte mit Praxis und Kindern gar nicht die Zeit, das a) überhaupt zu besuchen, b) es adäquat vor- und nachzubereiten und c) mich dann teilweise mit NOCH mehr Qualitätszirkeln weiterhin vollzuladen, die ja dann auch dauerhaft notwendig sind, um die Abrechnungsfähigkeit zu behalten. Und ganz billig sind solche Fortbildungen auch nicht.
Ich finde das extrem schade. Die eigentlich gute Idee des „Nie-Auslernens“ wird so weit ausgeweitet, dass sie die eigentliche Lust am Lernen und die Motivation der Teilnehmer manchmal völlig erstickt. Muss das wirklich sein? Ich kann mir das eigentlich nicht vorstellen … . Denn unser Wissen ist eins unserer wichtigsten Werkzeuge – und diese Werkzeuge sollte man in gutem Zustand halten. Sonst gilt leider das, was ich in etwas abgewandelter Form mal vor Jahren als Student über Ärzte gehört habe:
„Ärzte ohne Wissen sind Maulwürfen gleich: Sie arbeiten im Dunkeln und ihrer Hände Tagewerk sind Erdhügel.“ (Friedrich Tiedemann)Bildquelle: Robert Anasch, unsplash