Ein Mausmodell zeigte, dass die ATM-Mutation die Entstehung von duktalen Pankreasadenokarzinomen signifikant beschleunigt. Die Erkenntnisse liefern mögliche Ansätze für die Entwicklung zielgerichteter Therapiestrategien im Rahmen einer personalisierten Tumortherapie.
Die Proteinkinase ATM (Ataxia Telangiectasia Mutated) ist eine in den Zellen des Körpers patrouillierende Aufklärungseinheit. Sie produziert ein Protein, das die Geschwindigkeit des Zellwachstums kontrolliert. Das Enzym schlägt Alarm, sobald sich in der DNA Doppelstrangbrüche zeigen. Wird der Schaden nicht sofort behoben, kann er die Chromosomenstruktur krankhaft verändern, bei Zellteilungen weitergegeben werden und Erbkrankheiten und Krebsgeschwüre entstehen lassen.
Das duktale Pankreasadenokarzinom entsteht durch eine Vielzahl genetischer Veränderungen. Das Team um PD Dr. Alexander Kleger, Oberarzt an der Ulmer Universitätsklinik für Innere Medizin I, hat nun ein Modell generiert, welches erklären könnte, wieso beim sporadischen als auch beim familiären Bauchspeicheldrüsenkrebs hohe Mutationsraten im ATM-Gen vorliegen. „Genetisch manipulierte Mäuse, bei denen wir ATM in bestimmten Geweben deaktiviert haben, weisen eine wesentlich kürzere Lebensdauer auf als gesunde Mäuse“, so Kleger. Ohne das entsprechende ATM-Gen und mit dem auch beim humanen Pankreasadenokarzinom nahezu immer mutierten K-RAS-Gen entwickeln diese Mäuse früher und ausgeprägter bösartige Gewebeveränderungen sowie Vorläuferläsionen des Pankreaskarzinoms, wie zum Beispiel azinär-duktale Metaplasien und pankreatischen intraepithelialen Neoplasien.
Die genetisch manipulierten Zellen zeigten eine verstärkte „Kommunikation“ auf dem Bmp-Signalweg, einem der grundlegenden Signalsysteme für die Kommunikation zwischen Zellen, wodurch unter anderem Migration aber auch Invasion verstärkt werden kann. Passend dazu zeigte Pankreasgewebe mit inaktiviertem ATM außerdem eine vermehrte epithelial-mesenchymale Transition: Die Umwandlung von Epithelzellen zu mesenchymalen Zellen. Tumorzellen durchlaufen häufig mit zunehmender Aggressivität eine Abfolge von Stadien, um letztlich ihren Wirt zu attackieren. Dieser Prozess geht häufig einer Metastasierung voran.
Mit Hilfe von Genexpressionsanalysen konnte das Forscherteam eine genetische Signatur im Pankreas mit einem Mangel an ATM nachweisen, die mit humanen mesenchymal differenzierten Pankreaskarzinomen korreliert. Weitere Untersuchungen zeigten eine negative Korrelation zwischen der Genexpression und dem Tumorgrading. In einer Kohorte von resezierten Pankreaskarzinomen wird deutlich, dass wenig ATM-exprimierende Tumoren mit einem signifikant verkürzten Überleben der Patienten einhergehen. „Damit konnten wir ATM erstmals eine funktionelle Relevanz im humanen Pankreaskarzinom zuschreiben und gleichzeitig ein entsprechendes humanisiertes Mausmodell generieren. Das vorliegende Modell und die darin erhobenen Daten haben daher großes Potential für die Entwicklung von zielgerichteten Therapiestrategien dieses Signalwegs im Rahmen einer personalisierten Tumortherapie“, so Kleger abschließend. Originalpublikation: Loss of ATM accelerates pancreatic cancer formation and epithelial–mesenchymal transition Ronan Russell et al.; Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms8677; 2015