Zum Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion setzte man erst auf die PCR-Methode, dann kamen Antikörper-Tests hinzu. Jetzt sind auch Antigen-Tests im Einsatz. Welchen Mehrwert bringen sie?
Seit Anfang Juli steigt die Zahl an SARS-CoV-2-Infektionen kontinuierlich an – mittlerweile sind wir fast bei einem Drittel des April-Maximalwerts. Prof. Dr. Christian Drosten von der Charité-Universitätsmedizin Berlin hat sich auf die Suche nach Erklärungen gemacht. Er führt August-Fälle noch auf Reisen zurück, während er im September unerkannte Cluster vermutet, etwa aufgrund von Familienfeiern oder Veranstaltungen. Diese gilt es, aufzuspüren.
Doch schon im August waren Labors mit PCR-Tests überfordert; es kam zu langen Wartezeiten, bis endlich Ergebnisse vorlagen. Andere Verfahren, etwa Antigen- und Antikörper-Tests, sind inzwischen auch erhältlich. Wo liegen die Unterschiede, und gibt es Alternativen zum „Goldstandard“ PCR?
Alle Tests lassen sich, bezogen auf Infektionen zum Zeitpunkt 0 Tage, so einordnen:
Quelle: Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM)
Direkt nach dem Kontakt mit SARS-CoV-2 beginnen sich Viren zu vermehren (blaue Kurve); ein Maximum des Virustiters erwartet man in Woche zwei. Dann nimmt die Viruslast stark ab. Bis zu diesem Zeitpunkt eignen sich PCR- oder Antigen-Tests. Beide haben Virusbestandteile zum Ziel.
Ab der Woche zwei produziert unser Immunsystem Antikörper (rote Linie); diese zeigen an, ob es überstandene Kontakte zu neuartigen Coronaviren gegeben hat.
Zu den Details: Während der Pandemie haben sich Realtime-PCR-Tests zum Standard entwickelt. Die Sensitivität, also der Prozentsatz richtig erkannter Infizierter, liegt Herstellern zufolge bei nahezu 100 Prozent.
Ob solche Zahlen im Alltag erreicht werden, ist fraglich. Einem Review zufolge lag der Wert je nach Studie zwischen 71 und 98 Prozent. In einem Leserbrief berichtet Prof. Dr. Christoph Lübbert, Chefarzt der Klinik für Infektiologie/Tropenmedizin, Nephrologie und Rheumatologie am Klinikum St. Georg, Kehl am Rhein, von 97 bis 100 Prozent als Spezifität. Das BMJ wiederum empfiehlt Ärzten, unter Praxisbedingungen mit 70 Prozent als Sensitivität und 95 Prozent als Spezifität zu kalkulieren. Die Spezifität gibt an, wie viele Gesunde korrekt erkannt werden.
PCR-Tests haben mehrere Vorteile. Sie erfassen frühe SARS-CoV-2-Infektionen und weisen virales Erbgut nach. Das heißt: Ein Patient, vielleicht sogar noch symptomfrei, ist mit großer Wahrscheinlichkeit schon infektiös. Gleichzeitig liefern mehrere negative PCR-Tests nach anfänglich positivem Ergebnis stichhaltige Argumente, Personen aus der Quarantäne zu entlassen. Dem stehen zwei wesentliche Nachteile gegenüber: Solche Untersuchungen sind methodisch anspruchsvoll und kosten Zeit. Sie eignen sich weder für kleine Arztpraxen noch für Laien.
Das soll sich nach dem Wunsch von US-Forschern ändern. Sie stellen in The Lancet Microbe und im New England Journal of Medicine ein innovatives, handliches Gerät vor. In den Abmessungen eines Schuhkartons stecken alle wichtigen PCR-Technologien – und Messungen gelingen den Autoren zufolge ohne große Vorkenntnisse. Die Messergebnisse liegen in 90 Minuten vor.
Noch gibt es keine Zulassung, dafür aber erste Daten einer klinischen Studie aus britischen Krankenhäusern. Die Forscher geben als Sensitivität 94 Prozent und als Spezifität 100 Prozent an, basierend auf 386 Rachenabstrichen. Man darf gespannt sein.
Als Alternative zu viralen Nukleinsäuren lassen sich auch virale Proteine nachweisen. Gegen diese Antigene richten sich diagnostische Antikörper. Bei Fluoreszenz- oder Chemilumineszenz-Assays werden solche Antikörper chemisch mit geeigneten Farbstoffen verbunden; zur Auswertung ist ein Analysengerät erforderlich.
Deutlich einfacher funktionieren Lateral-Flow-Tests, wie man sie von Schwangerschaftstests kennt. Grundlage ist die Chromatographie, also die Verteilung von Substanzen zwischen einer mobilen Phase (Wasser) und einer stationären Phase (einem Streifen Filterpapier oder einer Polymerfolie). Flüssigkeit, etwa ein aufbereiteter Nasenabstrich, wird angesaugt. Farbstoff-markierte Antikörper lösen sich und bilden einen Antigen-Antikörper-Komplex. Mittig auf dem Streifen sind weitere Antikörper zu finden, die jedoch verankert wurden. Dort reichern sich die zuerst gebildeten Komplexe an, und ein Farbstreifen bildet sich. Meist existiert noch ein weiterer Bereich als Negativkontrolle. Hier bildet sich immer eine farbige Linie, um Anwendern zu zeigen, dass sie richtig gearbeitet haben. Der große Vorteil: Ergebnisse liegen in 15 Minuten vor. Von Abbott gibt es so einen Antigen-Schnelltest bereits. Der Markt ist groß, und viele Firmen sind im Rennen.
Viel zum Einsatz unter Alltagsbedingungen lässt sich derzeit nicht sagen. Roche beispielsweise gibt als Sensitivität 96,52 Prozent und als Spezifität 99,68 Prozent, basierend auf 426 Proben aus zwei unabhängigen Studienzentren. Der Test benötigt virales Antigen in ausreichender Menge. Deshalb wird mit Nasenabstrichen gearbeitet: eine Technik, die sich für Laien nicht eignet. Roche selbst verweist auf medizinische Fachkräfte. Das hat noch einen anderen Grund: Kits zum Nachweis meldepflichtiger Erkrankungen gehören laut Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) nur in die Hand von Health Professionals.
An der Kinokasse oder vor dem Fußballstadion wird es wohl kaum Antigentests geben, zumindest nicht in Deutschland. Dennoch haben Antigen-Nachweisverfahren ihre Berechtigung. Die Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) schreiben, Antigen-Tests seien bei kurzfristig erforderlichem Ergebnis eine denkbare Ergänzung; ihre Resultate müssten aber durch PCR-Tests bestätigt werden. Eine Entlastung der PCR-Kapazitäten bei Integration in Teststrategie sei möglich, so ihr Fazit.
Weiter geht es auf der Zeitreise durch den viral infizierten Organismus. Im Zuge der Serokonversion entstehen Antikörper gegen SARS-CoV-2. Sie lassen sich mit immunhistochemischen Verfahren wie ELISA- oder Lateral Flow Tests nachweisen. Es gibt unterschiedliche Kits mit einem Fokus auf IgM-, IgA-, IgG- oder Gesamtantikörpern.
Aufgrund niedriger Serokonversionsraten zu Beginn der Infektion werden sie für die Akutdiagnostik nicht empfohlen. Auch hier wieder ein beispielhafter Blick auf Herstellerangaben: Roche nennt als Testdauer 18 Minuten und als Sensitivität je nach Zeitpunkt zwischen 60,2 und 99,5 Prozent, denn Antikörper bilden sich erst im Laufe der Infektion. Die Spezifität liegt bei 99,80 Prozent.
Zum Hintergrund: Wissenschaftler fanden in einer kleinen Kohorte mit 173 Patienten innerhalb einer Woche Gesamtantikörperraten von unter 40 Prozent. Der Wert stieg bis zum 15. Tag nach Beginn rasch auf 100,0 Prozent (Gesamtantikörper), 94,3 Prozent (IgM) und 79,8 Prozent (IgG). Zur Akutdiagnostik eignen sich Antikörper nicht. Und wie lange Antikörper im Blut persistieren, ist unklar.
„Schnellteste zum qualitativen Nachweis von Antikörpern (IgG, IgM) gegen SARS-CoV-2 Antigen in Lateral Flow Assay-Formaten werden kommerziell angeboten“, schreibt das Robert Koch-Institut. „Es wird jedoch aktuell noch davon abgeraten, das Ergebnis eines alleinigen Antikörpertests als Kriterium für eine Diagnosestellung einzusetzen.“
Bleibt als Fazit: An PCR-Tests wird kein Weg vorbeiführen. Wahrscheinlich werden Antigen-Tests diese Strategie ergänzen, um Zeit zu gewinnen und um Ressourcen zu schonen. Methoden zum Nachweis akuter Infektionen bleiben in der Hand von Health Professionals – alles Andere verhindern Gesetze.
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