Sollte das Darmkrebsscreening für Risikopatienten noch früher angeboten werden? Diese Frage wird unter Ärzten und Wissenschaftlern immer wieder gestellt. Doch welche Rolle spielt die Familienanamnese bei der risikoangepassten Früherkennung und welche Probleme gibt es im Praxisalltag?
Bereits 2018 hatte die American Cancer Society für Menschen mit durchschnittlichem Risiko die Empfehlung für den Beginn der Früherkennung von 50 auf 45 Jahre gesenkt.1 Eine Entwicklung, die von vielen Seiten begrüßt wurde, denn die Darmkrebspatienten werden immer jünger. Eine US-Studie aus dem Jahr 2019 zeigt, dass die Inzidenz des Kolorektalkarzinoms (CRC) unter den 40- bis 49-Jährigen seit den 1990er Jahren signifikant gestiegen ist.2 Die Autoren schlussfolgerten, dass diese Entwicklung allerdings nicht auf ein vermehrtes frühes Screening zurückzuführen sei. Dabei würde man eher frühe Stadien des CRC entdecken – doch die Erkrankung war bei vielen Betroffenen bereits bei Diagnose in einem fortgeschrittenen Stadium.2
Das gesetzliche Screening zur Darmkrebsvorsorge beginnt in Deutschland ab dem 50. Lebensjahr. Zunächst werden in der Regel fäkale okkulte Bluttests durchgeführt, ab 55 Jahren können sich die Patienten stattdessen auch für eine Koloskopie alle 10 Jahre entscheiden.3 Gerade familiär bedingte Darmkrebsfälle treten jedoch häufig schon bei jüngeren Patienten auf. Menschen mit einem familiären Risiko sollten dementsprechend früher mit der Vorsorge beginnen, so die Leitlinienempfehlung.4
Eine aktuelle Studie konnte nun zeigen, dass in einer internationalen Population von CRC-Patienten zwischen 40 und 49 Jahren jeder 4. aufgrund seiner Familienanamnese für ein frühes Screening in Frage gekommen wäre. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass bei über 90 % dieser Patienten die Diagnose früher hätte gestellt werden können. Vielleicht hätte ein früherer Screeningstart die Entstehung eines CRC bei einigen sogar verhindern können.5 Das Problem, dem viele Ärzte in ihrem Praxisalltag jedoch gegenüberstehen: die Patienten nutzen die Chance nicht. Sei es aus Unwillen oder Unwissen.
Fast die Hälfte aller Patienten mit erhöhtem Risiko nimmt laut einer Analyse des Deutschen Krebsforschungszentrums die Möglichkeit der frühen Vorsorge nicht wahr.6 Gerade deshalb ist es entscheidend, die Patienten für das Thema zu sensibilisieren. Eine gezielte Abfrage der Familienanamnese ist eine sehr einfache und aussagekräftige Methode zur Risikobestimmung. Allerdings hat diese Methode auch ihre Grenzen, denn Darmkrebs tritt immer noch häufig im fortgeschrittenen Alter auf.
Letztlich ist die Familienanamnese in der Darmkrebsvorsorge und zur Risikobestimmung immer noch ein wichtiger Anhaltspunkt. Sie ermöglicht eine risikoangepasste Früherkennung und bietet die Chance darauf, Darmkrebs bereits in frühen Stadien oder Vorstufen zu entdecken. Doch die Methode hat ihre Grenzen und es wird immer wichtiger über die Familienanamnese hinaus aussagekräftige Anhaltspunkte für ein erhöhtes Darmkrebsrisiko zu finden. In Zukunft könnten zum Beispiel zusätzliche Labortests in die Abschätzung des Risikos mit einfließen.6
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