An der Medizinischen Hochschule Hannover arbeitet eine immunonkologische Arbeitsgruppe daran, die Nebenwirkungen von Immuntherapien besser zu verstehen. Neben ihrer Forschung bieten die Experten auch praktische Hilfe für Niedergelassene und Patienten an.
Immuntherapien haben die Behandlung von Krebserkrankungen revolutioniert. Bei einer Vielzahl unterschiedlicher Tumoren wie etwa Hautkrebs, Brustkrebs, Blasen- oder Lungenkrebs sorgen sie selbst bei schlechter Prognose dafür, dass mehr Patienten überleben. Doch die erfolgreichen Therapiestrategien können sich auch gegen körpereigenen Gewebe richten und starke Entzündungen auslösen.
Diese unerwünschten Nebenwirkungen möglichst früh zu erkennen, die Symptome richtig zuzuordnen und die Sicherheit der Immuntherapien zu erhöhen, hat sich die Immunonkologische Arbeitsgruppe am Comprehensive Cancer Center Niedersachsen (CCC-N) auf die Fahnen geschrieben. Am Standort Hannover wollen Mediziner aus verschiedenen Kliniken der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) nicht nur die molekularen und immunologischen Mechanismen für Entstehung und Entwicklung der dadurch entstehenden Erkrankungen aufklären, sondern bieten auch praktische Hilfe an. In einer zentralen Beratungsstelle können sich Patienten Unterstützung und niedergelassene Ärzte fachlichen Rat einholen.
„Durch Immuntherapien ausgelöste Erkrankungen sind nur schwer zu erkennen, da sie unspezifische Symptome zeigen oder bekannten Krankheitsbildern ähneln können und so leicht mit ihnen verwechselt werden“, erklärt Prof. Thomas Skripuletz, Oberarzt an der MHH-Klinik für Neurologie mit Klinischer Neurophysiologie. Vor allem neurologische Auffälligkeiten deuten mitunter scheinbar auf ganz andere Ursachen. „Wenn ein Patient über Sprechstörungen, tageszeitabhängige Ermüdung und Luftnot klagt, könnte das für eine bestimmte Autoimmunerkrankung sprechen, die die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln blockiert“, erklärt der Neurologe. Überlappen sich jedoch Symptome mehrerer Krankheiten und passen die Laborwerte aus den Blutuntersuchungen nicht zur Diagnose, spricht vieles für Nebenwirkungen der Immuntherapie als Ursache.
Die Idee der Immuntherapie ist, den Krebs mithilfe des eigenen Immunsystems zu bekämpfen – wenn etwa konventionelle Methoden wie Chemotherapie oder Strahlentherapie keinen gewünschten Erfolg bringen. Bei einer Krebserkrankung verbergen sich die Tumorzellen vor dem Immunsystem, indem sie Immun-Checkpoints blockieren. Das sind Rezeptoren auf der Oberfläche der T-Zellen. Mit Hilfe dieser Kontrollpunkte können die T-Zellen körperfremde Zellen erkennen und vernichten.
In der Immuntherapie wird die Blockade durch Checkpoint-Inhibitoren wieder gelöst und die Krebszellen für das Immunsystem so enttarnt. „Die Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren funktioniert bei den meisten Patienten sehr gut, führt aber mitunter zu einer überschießenden Immunantwort, so dass die Therapie gegebenenfalls abgebrochen werden muss“, sagt Prof. Imke Satzger, Oberärztin an der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie der MHH. Gerade durch die Kombination unterschiedlicher Inhibitoren würden zwar die Erfolgsaussichten gesteigert, aber auch die Nebenwirkungen.
Warum manche T-Zellen hyperaktiv sind, ist noch nicht genau erforscht. An der MHH arbeiten deshalb Mediziner verschiedener Disziplinen zusammen, um das Problem gemeinsam zu lösen. „Wenn wir wissen, bei welchen Patienten die T-Zellen hyperaktiv sind, können wir deren Immunsystem mit Medikamenten wieder etwas dämpfen und die Tumorbehandlung trotzdem fortsetzen“, erklärt Dr. Philipp Ivanyi, Oberarzt an der MHH-Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation. Eine prospektive Studie mit Hautkrebspatienten ist bereits angelaufen. Mit diesen Erkenntnissen wollen die Mediziner dann Standardtherapien entwickeln, die eine Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren für alle Krebspatienten sicherer macht.
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Bildquelle: Tom Barrett, Unsplash