Obwohl fast sechs Prozent aller Schwangerschaften mit einem Gestationsdiabetes einhergehen, wurden die deutschen Mutterschaftsrichtlinien bisher nicht angepasst. Dazu bezieht die Deutsche Diabetes Gesellschaft jetzt Stellung.
In Deutschland hat sich die Erkrankungsrate für einen Gestationsdiabetes (GDM) in den vergangenen 20 Jahren mehr als verfünffacht. Inzwischen erkranken jährlich etwa 45.000 Frauen daran, was fast sechs Prozent aller Schwangerschaften entspricht. Meist zeigen sich keine klassischen Diabetes-Symptome, wie starker Durst oder Harndrang und die Erkrankung wird deshalb häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt.
„Ein zu spät oder nicht diagnostizierter GDM kann zu schweren Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen sowie Folgeerkrankungen bei Mutter und Kind führen“, betont Prof. Monika Kellerer, Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Sie verweist auch auf das erhöhte Risiko für die Mutter, an einem späteren Typ-2-Diabetes zu erkranken. Daher sei eine diagnostische Früherkennung besonders wichtig.
Bei dem hierzulande vorgesehenen zweistufigen Testverfahren trinkt die Schwangere im Zeitraum zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche eine Lösung mit 50 Gramm Glukose (GCT). Werden erhöhte Blutzuckerwerte gemessen, folgt ein erneuter Nüchtern-Test mit 75 Gramm Glukose (oGTT). „Leider fallen viele tatsächlich an GDM erkrankte Mütter in diesem zweistufigen Verfahren aus dem Raster“, so Prof.Ute Schäfer-Graf, Sprecherin der DDG-Arbeitsgruppe „Diabetes und Schwangerschaft“. Denn der erste Test erfolgt unabhängig von der Tageszeit oder der letzten Nahrungsaufnahme im nicht-nüchternen Zustand. „Das Problem daran ist, dass so diejenigen Frauen mit GDM übersehen werden, die nur in nüchternem Zustand einen erhöhten Blutglukosewert aufweisen – also etwa ein Drittel aller Erkrankten.“ Seit 2012 ist das Screening auf Schwangerschaftsdiabetes von den Krankenkassen erstattungsfähig.
„Obwohl seit der WHO-Empfehlung von 2013 bereits 90 Prozent der europäischen Länder das einstufige Testverfahren präferieren, sieht der G-BA noch immer keinen Handlungsbedarf für ein Umdenken“, kritisiert Schäfer-Graf. Auch eine aktuell im Fachjournal Nature Medicine publizierte Studie bestätigt die Überlegenheit eines primären 75-g-oGTT Tests. Sie belegt, dass eine frühe Risikobewertung notwendig und die bisherige in den deutschen Mutterschaftsrichtlinien festgeschriebene Standardtestung unzureichend ist, um Schwangere mit Gestationsdiabetes rechtzeitig zu diagnostizieren und zu therapieren.
„Darüber hinaus ist die regelmäßige Selbstkontrolle der Blutzuckerwerte durch die Patientinnen ein wesentlicher Bestandteil der Therapie eines GDM“, erklärt Prof. Michael Hummel, ebenfalls Sprecher der DDG-Arbeitsgruppe. Doch bislang sind Blutzuckermessgeräte für nicht mit Insulin behandelte Frauen nicht erstattungsfähig. „Das ist weder aus medizinischer noch aus gesundheitsökonomischer Sicht nachvollziehbar“, betont Hummel.
„Die im Vergleich relativ geringen Kosten für die Erstattung eines Messgerätes stehen in keiner Relation zu den möglichen Folgekosten für das Gesundheitswesen und Folgeschäden durch Komplikationen bei Mutter und Kind“, sagt DDG-Pressesprecher Prof. Baptist Gallwitz. So könne in der frühen Phase des GDM noch mit Lebensstilinterventionen gegengesteuert werden.
Messe die Schwangere jedoch ihre Blutzuckerwerte nur unregelmäßig, könne sie durch eine Verschlechterung der Werte schlimmstenfalls insulinpflichtig werden. „Auch in der frühen Erkrankungsphase ist es also essenziell, dass Schwangere die Blutzuckermessung selbstständig und ohne eigene Kostenbeteiligung kontrollieren und steuern können“, so Gallwitz.
Die ganze Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft findet ihr hier.
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