Ein bestimmtes Gen spielt eine entscheidende Rolle bei der Produktion von Antikörpern. Wissenschaftler haben JAGN1 nun anhand einer seltenen genetischen Krankheit genauer untersucht.
Antikörper spielen in der Medizin eine fundamentale Rolle, wie derzeit auch wieder eindrücklich bei COVID-19 und der Suche nach einem Impfstoff deutlich wird. Diese winzigen Proteine werden auch Immunglobuline genannt und sind vielseitig gegen Krankheitserreger einsetzbar. Einerseits erkennen und markieren sie körperfremde Substanzen, damit sie auch langfristig von unseren Immunzellen erkannt werden. Sie helfen andererseits auch gezielt dabei, Eindringlinge mit Hilfe anderer Immunzellen zu zerstören. In speziellen Produktionsanlagen, den Plasmazellen, werden pro Sekunde tausende solcher Antikörper produziert.
Ein Forscherteam konnte nun die Rolle eines bestimmten Gens, JAGN1, für die Produktion von Antikörpern beschreiben. Die Wissenschaftler stützten sich dabei auf Daten von Patienten, die an einer seltenen genetischen Krankheit leiden. Ist JAGN1 defekt, kommt es bei Betroffenen zu einer Fehlfunktion der neutrophilen Granulozyten und damit zu einer schweren angeborenen Immunschwäche. Patienten leiden häufig unter gravierenden Infektionen, weil sich ihr Körper nicht ausreichend gegen Bakterien- und Pilzinfektionen wehren kann.
In der aktuellen Studie beleuchteten die Forscher nun die Rolle von JAGN1 für die B-Zellen. Wenn B-Zellen körperfremde Substanzen erkennen, sind sie in der Lage, sich zu Plasmazellen zu entwickeln. Jede Plasmazelle kann dann pro Sekunde Tausende von spezifischen Antikörpern ausscheiden. Diese Massenproduktion findet an einem bestimmten Ort in der Zelle, im endoplasmatischen Retikulum, statt. Anschließend werden die fertig gebauten Antikörper in einer bestimmten Region mit Zuckermolekülen ausgestattet. Dieser Prozess der Glykosylierung dient allerdings nicht der Dekoration, sondern erleichtert den Antikörper die Bindung zu anderen Immunzellen, um die Abwehrreaktion des Körpers zu verstärken. Denn charakteristische Zuckerstrukturen, die an Proteine angeheftet werden, haben Auswirkungen auf die Proteinstabilität und die Kommunikation zwischen Zellen und deren Umgebung.
„Als wir JAGN1 in B-Zellen von Mäusen außer Gefecht setzten, konnten wir eine drastische Reduktion der Antikörper messen. Auch die typischen Zuckersignaturen, die auf den Antikörper sitzen, hatten sich verändert. JAGN1 beeinflusst die Antikörper-Fabriken in den Zellen“, erklärt Astrid Hagelkrüys, Erstautorin der aktuellen Publikation. „Zu unserer Überraschung führt diese Veränderung der Zuckerstrukturen aber auch zu einer besseren Bindungsfähigkeit der Antikörper an andere Immunzellen und verstärkt die Abwehrreaktion.“
Auch in menschlichen Proben konnten die Wissenschaftler diesen Mechanismus nachweisen. „Seltene Gendefekte betreffen zwar nur wenige Menschen, aber manchmal lassen sich daraus grundlegende Prinzipien der Biologie ableiten. In diesem Fall konnten wir nachweisen, dass ein bestimmtes Gen auf das endoplasmatische Retikulum wirkt und daher für die Massenproduktion von Antikörpern essentiell ist. Gleichzeitig haben wir auch herausgefunden, dass die ‚Zuckerhülle’ von Antikörpern verändert wird, was eine wichtige Auswirkung darauf hat, wie solche Antikörper im Körper tatsächlich funktionieren", sagt Josef Penninger, Direktor des Life Science Institut der University of British Columbia.
Zur ganzen Pressemitteilung des Instituts für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geht es hier.
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