Oxidativer Stress kann eine Veränderung der Herzmuskelsteifigkeit auslösen, berichten Forscher der Universität Münster. Das elastische Titin, quasi das Gummiband des Herzens, wird dabei in seiner Dehnbarkeit beeinträchtigt.
Für die Diastole und Systole sind Millionen kleiner Hohlräume in den Herzmuskelfasern verantwortlich, die Sarkomere. In ihnen befindet sich das größte Protein des menschlichen Körpers, das Titin. Es hat hier die Funktion einer mechanischen Feder, die bei der Dehnung der Muskelfächer eine Rückstellkraft entwickelt – ähnlich einem Gummiband.
Ein Forscherteam um Prof. Wolfgang Linke, Direktor des Instituts für Physiologie ll der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU), fand nun heraus: Oxidativer Stress löst zusammen mit der Dehnung der Herzwände eine Veränderung der Herzmuskelsteifigkeit aus; das elastische Titin der Herzmuskelzellen wird verstärkt oxidiert und dadurch in seiner Dehnbarkeit moduliert. Diesen neu entdeckten Mechanismus bezeichnen die Forscher als UnDOx (Unfolded Domain Oxidation). Die Studienergebnisse wurden im Fachmagazin PNAS veröffentlicht.
Im menschlichen Organismus stellt Titin das Rückgrat des Sarkomers dar, der kleinsten funktionellen Einheit des Muskels. Dort sorgt es aufgrund seiner besonderen Struktur sowohl für Stabilität als auch für Elastizität. Viele Herzerkrankungen, unter anderem die diastolische Herzinsuffizienz und die dilatative Kardiomyopathie, gehen auf Defekte im Titin zurück.
Die Forscher zeigten nun zum ersten Mal im Herzgewebe, das aus Mäusen entnommen wurde, dass oxidativer Stress und die Herzdehnung die Titin-Federfunktion verändern. Den Oxidierungsstatus der Herzproteine ermittelten die Wissenschaftler mit Hilfe eines Massenspektrometers. Zusätzlich isolierten sie Herzmuskelzellen vom tiefgefrorenen Gewebe eines menschlichen Herzens, befestigten an den Zellen einen Kraftsensor und einen Mikromotor, um die Präparate anschließend schrittweise zu dehnen. Dadurch konnten sie die entstehenden Kräfte messen und deren Absinken oder Ansteigen bei unterschiedlichen Formen von oxidativem Stress beobachteten.
Darüber hinaus stellte das Team rekombinante Titinmoleküle her und ließ sie im Reagenzglas mutieren – dadurch konnte die Oxidierung nicht mehr stattfinden. „Die Auswirkungen von Dehnung und Oxidierung auf die Titinfeder haben wir dann mit einem sogenannten Rasterkraftmikroskop gemessen. Mit diesem Gerät konnten wir einzelne Titinmoleküle wie ein Gummiband aufspannen und die dabei entstehende Kraft, beziehungsweise deren Veränderung bei Oxidierung aufnehmen“, erklärt Linke.
Die Wissenschaftler zeigten in ihren Versuchen, dass der UnDOx-Mechanismus bei Herzen unter oxidativem Stress auftritt. Das ist zum Beispiel der Fall nach einem akuten Herzinfarkt oder bei chronischen Herzerkrankungen, die mit veränderter Dehnbarkeit der Herzwände einhergehen. „Wir hoffen, diese Herzen durch pharmakologische Regulation der Titinoxidation – also durch Medikamente – wieder dehnbarer zu machen“, fasst Linke zusammen.
Zur vollständigen Pressemitteilung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster geht es hier.
Bildquelle: Andres Siimon, Unsplash