Die Immunabwehr kann durch den Glucocorticoid-Rezeptor effizient ausgeschaltet werden. Synthetische Steroidpräparate wie Kortison zählen daher zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten. Doch die Nebenwirkungen bereiten Probleme.
Eine Arbeitsgruppe um Prof. Henriette Uhlenhaut, Forscherin für Molekulare Endokrinologie am Helmholtz Zentrum München, befasst sich mit Glucocorticoiden. Das sind Steroidhormone wie Cortisol, die von der Nebenniere täglich vor dem Aufwachen oder als Antwort auf Stress ausgeschüttet werden. Gebunden an ihren Glucocorticoid-Rezeptor kontrollieren diese Steroide sowohl Immunreaktionen als auch den Zucker- und Fettstoffwechsel.
Weil die Immunabwehr durch den Glucocorticoid-Rezeptor so effizient ausgeschaltet werden kann, gehören synthetische Steroidpräparate wie Kortison zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten überhaupt – und das schon seit Jahrzehnten.
„Diese nützliche Eigenschaft ist leider mit starken Nebenwirkungen verbunden, da dasselbe Hormon beziehungsweise Medikament in anderen Zellen außerhalb des Immunsystems unterschiedliche Funktionen hat“, erklärt Uhlenhaut. So wird zum Beispiel Muskelmasse reduziert oder Fett eingelagert.
„Wie genau Steroidpräparate wirken, verstehen wir immer noch nicht“, sagt Uhlenhaut. Sie und ihr Team wollen daher die molekularen Mechanismen entschlüsseln, durch die Steroide wie Kortison Entzündungsreaktionen stoppen.
Wenn die Wissenschaftler wissen, wie Kortison wirkt, also wie Entzündungs-Gene in Zellen des Immunsystems stummgeschaltet werden, können sie sich auf die Suche nach Molekülen machen, die dieselbe effektive entzündungshemmende Wirkung wie Kortison haben, aber weniger Nebenwirkungen.
Die bisherige Meinung in der Wissenschaft lautete, dass die entzündungshemmende Wirkung dieser Steroide durch Protein-Protein-Wechselwirkungen zustande kommt. Es wurde angenommen, dass der Glucocorticoid-Rezeptor im Zellkern an andere entzündungsauslösende Proteine andockt, ohne die DNA zu berühren.
Das Forschungsteam konnte nun mit einem neuen Mausmodell zeigen, dass anders als jahrelang angenommen, die DNA-Bindung notwendig ist, damit diese Medikamente wirken können. Ohne DNA-Bindung an Chromosomen, Chromatin oder an Gene durch den Glucocorticoid-Rezeptor bleibt diese Wirkung aus.
„Wir wissen jetzt, dass die DNA-Bindung eine wichtige Rolle spielt, haben aber immer noch keinen Weg gefunden, die Nebenwirkungen von den gewünschten Wirkungen zu trennen. Deswegen werden wir natürlich weiter forschen“, sagt Uhlenhaut. Auch bei COVID-19 sei noch nicht klar, worauf der Behandlungserfolg beruhe. Dazu sei weitere Forschung in dem Bereich notwendig.
Bisher hatten sich viele Ansätze auf die Protein-Protein-Kontakte fokussiert, was vielleicht deren ausbleibenden Erfolg erklärt. Nachdem dieser Ansatz jetzt verworfen werden kann, wird die weitere Forschung im Hinblick auf die Medikamentenentwicklung von Kortison-Alternativen ihren Blick auf die DNA richten.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Technischen Universität München.
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