Entgegen der Erkenntnis, dass Moleküle nur in Räume mit einer geringeren Konzentration wandern, wurde nun festgestellt, dass Moleküle auch in Richtung wachsender Konzentration wandern können. Der Prozess des Overshootings kann auch in der Medizin Anwendung finden.
Die Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Jörg Kärger der Universität Leipzig, betrachtete Moleküle im Inneren nanoporöser Materialien. Dies sind Stoffe mit Porengrößen im Bereich der Größe der Moleküle, die beispielsweise bei ihrem Einsatz zur Stoffveredelung ausgenutzt werden. Während man bei allen bisherigen Untersuchungen die Stoffaufnahme solcher Materialien immer nur über die Gesamtmenge der eingedrungenen Moleküle untersuchen konnte, gelang den Leipziger Forschern die Messung lokaler Konzentrationen und deren Zeitabhängigkeit. Sie benutzten hierzu das Verfahren des „Micro-Imaging“.
„Die dabei erhältliche Information ist vergleichbar mit dem, was dem behandelnden Arzt heute die Methode der Magnetresonanz-Tomographie liefert“, erläutert Prof. Dr. Jürgen Haase, der mit zum Forscherteam gehörte. „Auch hier geht es um die Verteilung von Molekülen. Allerdings sind die Anforderungen an die Zeit- und Ortsauflösung dabei nicht so groß, wie sie bei unseren Messungen im Inneren von Kristallen mit Durchmessern von wenigen Mikrometern gestellt werden mussten.“ „Mit der Beobachtung der ‚uphill-Diffusion‘, also der Ausbreitung von Molekülen ‚bergauf‘, in Richtung höherer Konzentration, konnten wir erstmalig einem wichtigen Mechanismus auf die Spur kommen“, sagt Kärger. „Die sich im Material schneller ausbreitenden Moleküle können also vorübergehend an gewissen Orten höher konzentriert auftreten und damit andere Wirkungen entfalten, als wenn sich ein Gleichgewicht eingestellt hat. Dieser Effekt des ‚overshooting‘, also des Über-das-Ziel-Hinausschießens, könnte viele Anwendungen haben, unter anderem in der Medizin. Das ist ein spannendes Thema aktueller Forschung.“ Originalpublikation: Uphill diffusion and overshooting in the adsorption of binary mixtures in nanoporous solids Jörg Kärger et al.; Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms8697; 2015