Frankfurter Biochemiker haben die gesamten Signalwege einer mit SARS-CoV-2 infizierten menschlichen Zelle analysiert. Das soll bei der Suche nach geeigneten Wirkstoffen helfen.
Bei der Weiterleitung von Signalen in der Zelle, die zum Beispiel zum Zellwachstum anregen oder Stoffwechselprozesse auslösen, spielen Phosphatgruppen eine wichtige biochemische Rolle. Die Phosphatgruppen werden häufig an Proteine angehängt oder von ihnen abgespalten. Dabei löst eine Protein-Veränderung die nächste aus und das Signal wird wie in einer Kaskade weitergeleitet. Meist ist das Ziel der Zellkern, wo Gene an- oder abgeschaltet werden.
Biochemiker und Virologen der Goethe-Universität und des Universitätsklinikums Frankfurt haben jetzt erstmals ein komplettes Bild aller Kommunikationswege einer mit SARS-CoV-2 infizierten menschlichen Zelle aufgenommen und beobachtet, welche Veränderungen der Virusbefall auslöst. Dafür analysierten sie die Gesamtheit aller Proteine, die in einer Momentaufnahme eine Phosphatgruppe tragen, das sogenannte Phospho-Proteom. Das Ergebnis: Vor allem Signalwege der Wirtszelle, bei denen ein Wachstumssignal von außen in die Zelle geleitet wird, werden offenbar vom SARS-CoV-2-Virus genutzt. Wenn diese Signalwege unterbrochen werden, kann sich das Virus nicht mehr vermehren.
Dr. Christian Münch vom Institut für Biochemie II der Goethe-Universität erklärt: „Die Signalwege der Wachstumsfaktoren lassen sich direkt dort blockieren, wo das Signal von außerhalb der Zelle an einen Signal-Empfänger – einem Wachstumsfaktorrezeptor – andockt. Es gibt jedoch eine Reihe sehr wirksamer Krebs-Medikamente, die Wachstumsfaktor-Signalwege etwas tiefer in der Kaskade unterbrechen, wodurch die Signale von unterschiedlichen Wachstumsfaktorrezeptoren blockiert werden. Fünf dieser Wirkstoffe haben wir an unseren Zellen getestet, und alle fünf führten zu einem kompletten Stopp der SARS-CoV-2-Replikation.“
Prof. Jindrich Cinatl vom Institut für Medizinische Virologie des Universitätsklinikums Frankfurt sagt: „Unsere Experimente haben wir an kultivierten Zellen im Labor durchgeführt. Die Ergebnisse lassen sich also nicht ohne weitere Tests auf den Menschen übertragen. Doch durch Untersuchungen anderer infektiöser Viren wissen wir, dass Viren häufig Signalwege in ihren menschlichen Wirtszellen verändern und dass dies für die Virusvermehrung wichtig ist. Gleichzeitig haben bereits zugelassene Medikamente einen ungeheuren Entwicklungsvorsprung, sodass man auf Grundlage unserer Ergebnisse und weniger weiterer Experimente sehr schnell mit klinischen Studien beginnen könnte.“
Das Verfahren, mit bestimmten Hemmstoffen Signalwege zu unterbrechen, um eine COVID-19-Erkrankung zu therapieren, haben sich die Wissenschaftler jetzt patentieren lassen.
Der Text basiert auf einer Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
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