Das sogenannte Allergiemodul hat sich im Lauf der Evolution bewährt: Die Widerstandskraft des Körpers gegen sekundäre bakterielle Infektion kann damit erhöht werden. Jetzt gibt es einen Erklärungsansatz zur biologischen Funktion.
Eine Studie könnte jetzt erklären, warum der Körper im Laufe der Evolution an einem bekannten Allergiemodul festgehalten hat. Der betreffende Baustein des Immunsystems, bestehend aus Mastzellen und Immunglobulin-E-Antikörpern (IgE), kann die Widerstandskraft des Körpers gegen sekundäre bakterielle Infektion erhöhen. Die Arbeit leistet einen wichtigen Beitrag zum allgemeinen Verständnis des Immunsystems und wurden im Fachjournal Immunity veröffentlicht.
Rund 150 Millionen Europäer leiden unter wiederkehrenden Allergien. Laut einer Studie der europäischen Akademie für Allergologie und klinische Immunologie könnte bis 2025 jeder zweite Europäer von einer Allergie betroffen sein. Allergische Patienten durchlaufen zu Beginn der Erkrankung einen Prozess der Sensibilisierung. Dabei entwickelt ihr Immunsystem IgE-Antikörper, die Allergene erkennen. Die IgE-Antikörper wiederum binden an Zellen mit einem FcεR1-Rezeptor, der vor allem auf Mastzellen vorkommt, die in den meisten Geweben des Körpers vorhanden sind.
Bei erneutem Kontakt mit einem Allergen vermitteln die IgE-Antikörper die sofortige Aktivierung der Mastzellen und die unmittelbare Freisetzung verschiedener Mediatoren, z. B. Histamin, Proteasen oder verschiedene Zytokine, welche die klassischen allergischen Symptomen hervorrufen.
Abhängig vom Organ, in dem es zum Kontakt mit dem Allergen kommt, können die Symptome von Niesen/Atemnot (Atemwege) über Durchfall und Magenschmerzen (Magen-Darm-Trakt) bis hin zu Juckreiz (Haut) reichen. Systemischer Kontakt mit Allergenen, zum Beispiel durch Erreichen des Blutkreislaufs, kann zur gleichzeitigen Aktivierung einer großen Anzahl von Mastzellen in verschiedenen Organen führen, was eine Anaphylaxie hervorrufen kann.
Trotz langjähriger Forschung an IgE-Antikörpern und Mastzellen konnte die biologische Funktion dieses Allergiemoduls bis heute noch nicht vollständig geklärt werden. Bereits in den 90er Jahren wurde eine positive Funktion allergischer Reaktionen bei der Abwehr von Giftstoffen festgestellt. Frühere Studien haben diese Hypothese weiter untermauert und die Bedeutung von Mastzellen für die angeborene Resistenz gegen das Gift bestimmter Schlangen und der Honigbiene beschrieben. Auch deren Relevanz im Zusammenspiel mit IgE-Antikörpern für die erworbene Immunabwehr gegen große Giftmengen wurde darin aufgezeigt.
Auf Basis dieser Erkenntnisse untersuchten die Wissenschaftler in der aktuellen Studie, ob Mastzellen und IgE-Antikörper auch bei der Abwehr anderer toxinproduzierender Organismen, insbesondere pathogener Bakterien, relevant sein könnten. Wegen seiner enormen klinischen Relevanz und seines breiten Repertoires an Toxinen wählten die Autoren das Bakterium Staphylococcus aureus als Erregermodell. Staphylococcus aureus ist ein typischer antibiotikaresistenter Krankheitserreger und wird auch mit der Entwicklung allergischer Erkrankungen wie Asthma und atopische Dermatitis in Verbindung gebracht. Für ihre Forschung verwendeten die Wissenschaftler verschiedene S. aureus-Mausinfektionsmodelle in Kombination mit genetischen Ansätzen und In-vitro-Mastzellmodellen, um die Funktionen ausgewählter Komponenten der IgE-Effektormechanismen zu entschlüsseln.
Die Forscher fanden heraus, dass Mäuse mit einer milden S. aureus-Hautinfektion im Verlauf der folgenden adaptiven Immunantwort spezifische IgE-Antikörper gegen bakterielle Komponenten entwickeln. Diese Immunantwort verleiht den Mäusen erhöhte Resistenz gegenüber schweren sekundären Lungen-, Haut- und Gewebeinfektionen. In diesem Modell sind Mäuse, denen funktionelle IgE-Effektormechanismen oder Mastzellen fehlen, nicht in der Lage, einen solchen Schutz aufzubauen.
Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die allergische Immunantwort nicht ausschließlich pathologisch, sondern schützend bei bakteriellen Infektionen sein kann. Die Abwehr von toxinproduzierenden pathogenen Bakterien könnte daher eine wichtige biologische Funktion des Allergiemoduls sein.
Zur vollständigen Pressemitteilung des CeMM Forschungszentrums für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geht es hier.
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