Der Ärztemangel wird zu einem immer größeren Problem. Die Lösung sehen viele darin, mehr Studienplätze zu schaffen. „Das ist aus meiner Sicht zu kurz gedacht“, sagt eine Ärztin.
Auf Twitter machte sich kürzlich die Ärztin Marlene Heckl Gedanken über den Ärztemangel. Die damit verbundene Forderung nach mehr Studienplätzen sei zwar an sich keine schlechte Idee, aber nicht die Lösung. Das wahre Problem würde man auf diese Weise nämlich nicht in den Griff bekommen. „Denn: Wir verlieren die meisten Ärzte NACH dem Studium.“
Eine Klinikkarriere sei kaum mit Familie zu vereinbaren: „Noch immer können Frauen eine Klinikkarriere kaum mit Familie vereinbaren (und 60–70 % der Medizinstudenten sind weiblich).“ Nach Teilzeitstellen suche man in der Regel vergebens und selbst wenn man eine finde, sei es schwierig, so ein Modell in den Klinikalltag zu integrieren.
„Ärzte verbringen den größten Teil ihrer Arbeit mit nicht-medizinischen, ineffizienten Tätigkeiten, für Gespräche mit Patienten bleibt kaum Zeit. Das Krankenhaus ist ein Wirtschaftsunternehmen. Es gibt Schichtdienst, nicht bezahlte Überstunden und starre Hierarchien“, so die Ärztin. „Auch Selbstständige in der Arztpraxis leiden unter Bürokratie, Regressandrohungen und zu wenig Zeit für die wesentlichen ärztliche Tätigkeiten. Das hat Konsequenzen.“
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Ein großer Teil der ausgebildeten Ärzte werden letztendlich nicht in diesem Bereich tätig oder sie üben den Arztberuf in einem anderen Land aus, als Beispiel nennt Heckl die Schweiz. „ Dort müssen sie nämlich weniger mühsame Zeit mit Patientenakten aus Papier oder Faxgeräten verschwenden und verdienen das doppelte. Ein Großteil der Ärzte in der Schweiz sind Deutsche.“
Auch auf den Mangel an Landärzten und die problematische Suche nach Praxis-Nachfolgern geht die Ärztin ein. „Medizinstudenten werden an den Unikliniken in großen Städten ausgebildet. Viele haben keine Lust, danach zurück in die ‚Pampa‘ zu gehen, dort weit und breit der einzige Arzt zu sein, der 24/7 für alles verantwortlich ist.“
Städte seien mit ihrem großen Angebot an Kitas, Bildungsstätten und Freizeitangeboten eben sehr attraktiv – auch für Ärzte, argumentiert Heckl. Das gelte auch für das Jobangebot für Lebensgefährten. „Wer Ärzte auf dem Land will, muss ihnen attraktive Angebote machen.“
Ihr Fazit: „Wer mehr Ärzte in Deutschland will, muss die Arbeitsbedingungen in den Kliniken verbessern, Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen, Bürokratie abbauen, den Personalschlüssel nach oben schrauben, Überstunden und Dienste vernünftig regeln. Solange das nicht passiert, wird sich auch der Ärztemangel nicht von selbst in Luft auflösen. Die nachfolgende Generation an Ärzten möchte sich nicht auf Dauer in einem System kaputt arbeiten, das selbst an allen Ecken und Enden renovierungsbedürftig ist.“
Bildquelle: Jon Tyson, unsplash