In der Medizin sollen Mensch-Maschine-Schnittstellen eingesetzt werden, um beispielsweise gelähmten Patienten dabei zu helfen, wieder selbstständig ihren Alltag zu bewältigen. Doch was geschieht in den Gehirnen derer, die solche Neuroprothesen nutzen?
Die Forschergruppe um Prof. Dr. Alireza Gharabaghi am Universitätsklinikum Tübingen befasst sich mit Gehirn-Computer-Schnittstellen zur Kommunikation und Funktionswiederherstellung nach Lähmungen. Ziel ist es, effektivere Therapien für die Neurorehabilitation gelähmter Patienten zu entwickeln.
Während in der Vergangenheit die meisten Neuroprothetik-Wissenschaftler sich darauf konzentriert haben, eine möglichst genaue Ansteuerung von Maschinen durch das Gehirn zu erreichen, haben die Tübinger Forscher aktuell genauer ergründet, was im Gehirn der Anwender selbst geschieht, wenn sie z. B. einen Handroboter mit ihren Gedanken steuern: Netzwerke im Gehirn werden in ähnlicher Weise aktiviert, wie bei einer richtigen Bewegung ohne Unterstützung. Dieser Effekt wird im Hirn nicht erreicht, wenn man sich diese Bewegung nur vorstellt. Dabei ist besonders wichtig, dass die Anwender diese Bewegung auch wirklich spüren, z. B. durch die roboter-assistierte Unterstützung. Solche Gehirn-Roboter-Übungen sind schwierig und verlangen Ausdauer, vergleichbar mit dem Erlernen eines Musikinstrumentes. Wie andere Herausforderungen kann auch das Roboter-Training zu Frustrationen führen. Interessanterweise konnten die Tübinger Forscher an der im Elektroenzephalogramm gemessenen Hirnaktivität schon vor der Übung erkennen, wer bei diesem Training besonders gefordert sein und wem es eher leicht fallen würde.
Da Patienten, z. B. nach einem Schlaganfall, schnell an ihre Belastungsgrenze gelangen können, ist es besonders wichtig, objektive Kriterien zu entwickeln, mit denen das Training mit den Rehabilitationsrobotern an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden kann. Die Gruppe um Gharabaghi konnte in diesem Zusammenhang zeigen, wie sich die Maschinen besonders gut an die Anwender anpassen lassen, damit diese gefördert aber auch gefordert werden und so ihr Lernpotential optimal ausschöpfen. Mit diesem Ansatz wurde in Tübingen gezeigt, dass Mensch-Maschine-Schnittstellen, wenn sie richtig eingesetzt werden, genau die Netzwerke und Hirnwellen aktivieren, die für die Rehabilitation Gelähmter besonders wichtig sind; diese Hirnwellenmuster waren sogar noch nach dem Training präsent. Erste Untersuchungen mit Patienten nach einem Schlaganfall unterstreichen, dass es wichtig ist, die Aktivitäten von Mensch und Maschine genau aufeinander abzustimmen, um Erfolge zu erreichen. Originalpublikationen: Bridging the gap between motor imagery and motor execution with a brain-robot interface. Robert Bauer et al.; Neuroimage, doi: 10.1016/j.neuroimage.2014.12.026; 2015 Oscillatory entrainment of the motor cortical network during motor imagery is modulated by the feedback modality. Mathias Vukelić et al.; Neuroimage, doi: 10.1016/j.neuroimage.2015.01.058; 2015 Predicting workload profiles of brain-robot interface and electromygraphic neurofeedback with cortical resting-state networks: personal trait or task-specific challenge? Robert Bauer et al.; Journal of Neural Engineering, doi: 10.1088/1741-2560/12/4/046029; 2015 Estimating cognitive load during self-regulation of brain activity and neurofeedback with therapeutic brain-computer interfaces. Robert Bauer et al.; Frontiers in Behavioral Neuroscience, doi: 10.3389/fnbeh.2015.00021; 2015 Reinforcement learning for adaptive threshold control of restorative brain-computer interfaces: a Bayesian simulation. Robert Bauer et al.; Frontiers in Behavioral Neuroscience, doi: 10.3389/fnins.2015.00036; 2015 Self-regulation of circumscribed brain activity modulates spatially selective and frequency specific connectivity of distributed resting state networks. Alireza Gharabaghi et al.; Frontiers in Behavioral Neuroscience, doi: 10.3389/fnbeh.2015.00181; 2015 Reinforcement learning of self-regulated β-oscillations for motor restoration in chronic stroke. Alireza Gharabaghi et al.; Frontiers in Human Neuroscience, doi: 10.3389/fnhum.2015.00391; 2015