In Deutschland nehmen Schwangere mehr Ultraschalluntersuchungen in Anspruch als vorgesehen ist. Aus gutem Grund, so die DEGUM: Würden Ärzte und Frauen auf zusätzliche Untersuchungen verzichten, blieben zum Beispiel die Hälfte aller angeborenen Herzfehler unentdeckt.
„Die Mutterschaftsrichtlinien sollen eine Grundversorgung während der Schwangerschaft gewährleisten“, erklärt PD Dr. med. Kai-Sven Heling, Leiter der Sektion Gynäkologie der DEGUM. „Sie spiegeln das Minimum an Vorsorge und keineswegs das Optimum wider.“ Sofern keine besonderen Risiken oder Befunde vorliegen, sehen die Richtlinien drei Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaft vor: in der 10., der 20. und der 30. Schwangerschaftswoche. Auf Wunsch screent er beim „erweiterten“ zweiten Basisultraschall auch einige Organe wie Gehirn oder Herz auf auffällige Merkmale. „Diese Untersuchungen sind alle gut, decken aber längst nicht die Bandbreite möglicher Fehlbildungen ab“, so Heling. Eine Untersuchung der Herzgefäße etwa sei in den Mutterschaftsrichtlinien nicht vorgesehen, obwohl hier die Hälfte aller angeborenen Herzfehler entsteht. Weiterhin fordern die Richtlinien auch keine Untersuchung des Gesichts und keine umfassende Untersuchung der Arme und der Beine. „Gesicht und Extremitäten spielen jedoch bei verschiedensten Krankheiten und Fehlbildungen eine Rolle und sind für die Eltern von großer Bedeutung“, so Heling.
„Nur eine weiterführende Organdiagnostik ermöglicht den Ausschluss von Fehlbildungen mit größtmöglicher Sicherheit“, erklärt DEGUM-Vorstand Professor Dr. med. Peter Kozlowski. Bei dieser „Feindiagnostik“ nehmen die Ultraschallspezialisten nicht nur alle Organe des Ungeborenen in Augenschein. Sie erkennen auch seltene Fehlbildungen, die bei den Basisuntersuchungen nicht auffallen. Nach den Mutterschaftsrichtlinien ist die Feindiagnostik durch Ultraschall-Experten mit der DEGUM-Qualifikation der Stufe II oder III nur bei Auffälligkeiten und besonderen Risiken vorgesehen.
Eine weitere Ultraschalluntersuchung wünschen sich viele Frauen bereits in der Frühschwangerschaft, um eine Eileiter-Schwangerschaft auszuschließen. Diese kommt immerhin bei zwei Prozent aller Schwangerschaften vor, so Kozlowski. Auch eine Ultraschalluntersuchung, bei der Ärzte kurz vor der Geburt die Position des Babys prüfen und dessen Größe aktuell einschätzen, sei zur Geburtsplanung nützlich, eigentlich jedoch nicht vorgesehen. Als Selbstzahlerleistung nehmen Frauen zudem um die 12. Schwangerschaftswoche häufig das sogenannte „Ersttrimester-Screening“ in Anspruch, das auch eine Ultraschalluntersuchung beinhaltet. Hierdurch können Ärzte auch mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Chromosomenstörung vorhersagen. „Wir haben mit den modernen Ultraschallgeräten heute die Möglichkeit, Fragen der werdenden Eltern ohne Gefahr für Mutter oder Kind zu beantworten“, sagt Heling. Der Ultraschall trage so zu einer entspannten Schwangerschaft bei, ist der Experte überzeugt. Für Kinder mit schweren Fehlbildungen auf der anderen Seite könne die vorgeburtliche Diagnose lebensrettend sein.