Probleme bei der räumlichen Navigation sind auch bei Menschen mit einem genetischen Risiko für die Alzheimerkrankheit feststellbar. So lautet das Ergebnis einer aktuellen Studie.
Alzheimer-Patienten entwickeln im Verlauf der Erkrankung eine schwere Orientierungslosigkeit und finden auch einfachste Wege nicht mehr. Dass Probleme bei der räumlichen Navigation auch bei Menschen mit einem genetischen Risiko für die Alzheimer-Krankheit feststellbar sind, ist das Ergebnis einer Studie, die in der Zeitschrift Science Advances veröffentlicht wurde. Das Team untersuchte die Fähigkeit zur Pfadintegration.
Tiere und Menschen können ihre eigene Position im Raum durch Eigenwahrnehmung aktualisieren und erinnern. „Wenn man nachts aufsteht und im Dunklen den Weg ins Badezimmer finden will, benötigt man – neben dem Wissen über die Anordnung der eigenen Wohnung – einen Mechanismus, der die eigene Position im Raum nachverfolgt, ohne dass man äußere Hinweisreize dazu verwendet“, gibt Studienautorin Anne Bierbrauer ein Beispiel. Diese Fähigkeit wird als Pfadintegration bezeichnet.
Forscher gehen davon aus, dass die Aktivität der sogenannten Gitterzellen (englisch: grid cells, im Deutschen auch Rasterzellen genannt) im entorhinalen Kortex für diese Fähigkeit verantwortlich ist. Diese Zellen zeigen beim Navigieren durch den Raum ein einzigartiges, regelmäßiges Aktivitätsmuster. Dass der entorhinale Kortex entscheidend für die räumliche Navigation ist, ist schon länger bekannt. Er ist zudem eine der ersten Regionen des Gehirns, die durch die Alzheimererkrankung betroffen sind.
In einer früheren Studie hatten die Wissenschaftler gezeigt, dass die Gitterzellen bei Menschen mit einem genetischen Risiko für die Alzheimer-Erkrankung eine veränderte Funktion aufweisen. Allerdings konnten die Probanden normal navigieren. „Wir nehmen an, dass sie Kompensationsmechanismen genutzt haben, um ihren Weg zu finden“, erklärt Nikolai Axmacher, „vermutlich äußere Hinweisreize in der Umgebung. In Bochum kann man zum Beispiel an vielen Orten den Förderturm des Bergbau-Museums sehen, der häufig über die Häuserzeilen hinweg sichtbar ist.“
In der aktuellen Studie nutzte das Team daher eine Navigationsaufgabe am Computer, bei der die Teilnehmer sich nicht an äußeren Landmarken orientieren konnten. Die Wissenschaftler verglichen die Navigationsleistung von 202 Probanden ohne genetisches Alzheimerrisiko und 65 Probanden mit genetischem Risiko. Letztere besitzen eine bestimmte Ausprägung des Gens für das Apolipoprotein E, das APOE-ε4-Allel. Probanden mit genetischem Alzheimerrisiko schnitten beim Navigieren schlechter ab als die übrigen Teilnehmer.
Eine zusätzliche Gruppe von Probanden absolvierte die gleiche Aufgabe, während die Forscher ihre Hirnaktivität mit funktioneller Magnetresonanztomografie aufzeichneten. Ziel der Untersuchung war es herauszufinden, welche Gehirnprozesse eine Rolle bei der Pfadintegration spielen. Im entorhinalen Kortex fand das Team Gitterzellrepräsentationen, die mit der Navigation ohne äußere Hinweisreize in Zusammenhang standen, was die Rolle dieser Gehirnregion für die Pfadintegration unterstreicht.
„In dieser Studie zeigen wir eine sehr spezifische Einschränkung von gesunden Menschen mit einem genetisch erhöhten Risiko für Alzheimer“, resümiert Studienautor Lukas Kunz. „Künftig könnte eine solche Verhaltensauffälligkeit vielleicht helfen, Alzheimer früher zu diagnostizieren, bevor gravierende Symptome auftreten.“ Forscher vermuten, dass medikamentöse Therapien bei der Alzheimerkrankheit bislang scheitern, weil die Diagnose zu spät erfolgt.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Ruhr-Universität Bochum.
Bildquelle: Bogdan Karlenko, unsplash