Statt 14 nur noch 5 Tage in Quarantäne – das schlägt Virologe Christian Drosten für Menschen mit Verdacht auf eine Corona-Infektion vor. Warum die Rechnung nicht aufgeht.
Mit einem Statement im NDR-Podcast sorgt Virologe Christian Drosten für Aufsehen. Er schlägt vor, die Quarantäne-Zeit für Menschen mit Verdacht auf eine Corona-Infektion von 14 auf 5 Tage zu verkürzen. Mit diesem Vorschlag gehe er „bis an die Schmerzgrenze der Epidemiologie“, sagte er und will damit die Akzeptanz für die Maßnahmen in der Gesellschaft erhalten.
„Das ist schon, sagen wir mal, eine steile These, dass man sagt, nach fünf Tagen ist eigentlich die Infektiosität vorbei.“ Die Überlegung sei aber: „Was kann man denn in der Realität machen, damit man nicht einen de-facto-Lockdown hat?“, erklärte er. „Es nützt ja nichts, wenn man alle möglichen Schulklassen, alle möglichen Arbeitsstätten unter wochenlanger Quarantäne hat.“
Wie kommt Drosten auf die Schmerzgrenze von exakt 5 Tagen? Der Gedanke dahinter: Nach derzeitigem Kenntnisstand liegt die mediane Inkubationszeit bei 4 bis 5 Tagen; von der Ansteckung bis zum Beginn erster Symptome vergehen also etwa 5 Tage. In dieser Zeit sollte sich herausstellen, ob sich eine Kontakperson tatsächlich infiziert hat, sollte es zum Krankheitsausbruch kommen. Und am infektiösten scheinen Infizierte 1 bis 2 Tage vor Symptombeginn zu sein. Demnach könnte es Sinn machen, die Quarantäne für Corona-Verdachtsfälle zu verkürzen.
Doch über die genaue Inkubationszeit und Dauer der präsymptomatischen Infektiösität ist man sich gar nicht so genau sicher. In einer neueren Studie, die vom US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) in Auftrag gegeben wurde, zeigt sich, dass die mediane Inkubationszeit eher bei 7 Tagen liegt. In diesem Szenario würde eine 5-tägige Isolation von Kontaktpersonen also gar nicht ausreichen. In einer Studie mit Heimbewohnern konnte man bis zu 6 Tage vor Symptombeginn vermehrungsfähige Viren im Nasen- bzw. Mund-Rachenraum nachweisen.
Außerdem bedeutet ein Medianwert von 4 bis 5 oder 7 Tagen nicht, dass es nicht auch längere Inkubationszeiten gibt. Dazu eine kurze Statistik-Auffrischung: Der Median einer Datenreihe ist derjenige Messwert, der genau in der Mitte steht, wenn man die Messwerte der Größe nach sortiert. Er ist zwar ein aussagekräftiger Durchschnittswert, weil er robuster gegenüber Ausreißern ist. Aber natürlich existieren dementsprechend auch kürzere und längere Inkubationszeiten. Studienergebnisse deuten darauf hin, dass knapp 97 % der Infizierten, die letztlich Symptome zeigen, dies innerhalb von 14 Tagen tun. Deswegen hat man sich für eine 14-Tage andauernde Isolationszeit für Corona-Verdachtsfälle entschieden.
„Das ist eine schwierige These“, sagt Nazifa Qurishi, Infektiologin aus Köln, über Drostens 5-Tage-Vorschlag. „Immer wieder kommt es auch bei uns in der Praxis vor, dass ein Patient nach 7 Tagen immer noch das Virus in sich trägt, also der Abstrich positiv ist.“ Die Infektiösität hänge von vielen Faktoren wie Alter, Komorbiditäten und dem Immunsystem ab. „Daher würde ich eine pauschale Aufhebung der Quarantäne zum jetztigen Zeitpunkt nicht für richtig halten.“
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