Bald gesellen sich saisonbedingt zu SARS-CoV-2-Infektionen auch Erkältungs- und Grippefälle. Diese Probleme erwarten uns.
Es geht aufwärts, und zwar im negativen Sinne: Das Datenportal Worldometers meldet für Deutschland steigende SARS-CoV-2-Neuinfektionen. Mittlerweile sind die Zahlen so hoch wie Anfang Mai, und eine erneute Trendwende nach unten zeichnet sich nicht ab. Sobald die Räume wieder beheizt werden müssen, dürfte das Infektionsrisiko deutlich steigen, wie Forscher kürzlich nahelegten.
Medizinisches Personal muss also bald zwei große Challenges gleichzeitig meistern. Es könnte zu einigen Schwierigkeiten kommen. Manche lassen sich leichter in den Griff bekommen als andere. Sehen wir uns mögliche Hürden im Detail an und welche von ihnen man lösen kann – wenn man denn will.
Ob die Kapazitäten in Zeiten eines Grippe-Corona-Mischmaschs ausreichen, darf bezweifelt werden. „Bei steigenden Infektionszahlen müssen wir im Herbst mit größeren Engpässen und längeren Wartezeiten rechnen“, sagt auch Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD). Schon jetzt sind Labors bei Reiserückkehrern in die Knie gegangen. Und Bayerns Regierung versinkt vor Scham im Boden. 44.000 Personen, darunter 900 mit positivem Test, mussten teils wochenlang auf Ergebnisse warten; 46 positive Ergebnisse ließen sich gar nicht zuordnen. Und das noch zu gemäßigten Zeiten. Versagen Labors während der nasskalten Zeit ähnlich, werden Untersuchungen zum Muster ohne Wert.
Auch wenn das Paul-Ehrlich-Institut derzeit keinen Mangel an Grippeimpfstoff in Deutschland erkennen kann – man muss bedenken, dass die Impfempfehlungen aufgrund der Pandemiesituation großzügiger ausfallen als sonst. So spricht sich etwa BÄK-Präsident Reinhardt dafür aus, das gesamte System Schule zu schützen. „Es ist […] wichtig, dass möglichst viele Kinder gegen Influenza geimpft werden. Genauso wichtig ist aber auch der Schutz des Personals: Erzieher und Lehrer sollten so umfänglich wie möglich gegen Grippe geimpft werden. Nur so kann das gesamte System Schule geschützt werden“, sagte er gegenüber der Funke-Mediengruppe. Die Empfehlungen der STIKO bleiben allerdings unverändert. Ob der Vorrat reicht, werden wir sehen.
Während der ersten Corona-Welle konnten sich Patienten mit akuter Atemwegsinfektion telefonisch krankschreiben lassen. Die Regelung wurde mehrfach verlängert und endete am 31. Mai. Viel Missbrauch hat es wohl nicht gegeben, wie aus einem aktuellen TK-Bericht hervorgeht; generell übte keine GKV Kritik am System. Umso erstaunlicher, dass solch sinnvolle Regelungen nicht zur Dauerlösung werden. Das baden Ärzte, aber auch ihre Patienten aus. Mal wieder geht man nur für die AU in die Sprechstunde. Dort herrscht erhöhte Ansteckungsgefahr – sowohl in Hinsicht auf SARS-CoV-2 als auch auf das Grippevirus.
Eine besonders gefährliche Spezies: die Sich-auf-die-Arbeit-Schlepper. Gerade während einer Pandemie, zu der sich langsam auch die Grippesaison gesellt, hat keiner etwas davon, wenn Menschen sich krank ins Büro schleppen. Das gilt allerdings auch für Ärzte, Apotheker und sämtliches medizinisch tätiges Personal. Wer krank ist, soll zuhause bleiben.
Laut Robert Koch-Institut gab es in den letzten drei Influenza-Saisons bis zu 9.000 Arztkonsultationen pro 100.000 Einwohner aufgrund akuter respiratorischer Infektionen. Und das war vor Corona. Heute lösen Fieber, Husten und Erkältungssymptome Panik aus – es könnte ja Corona sein. Um sowohl SARS-CoV-2 als auch das Influenzavirus in Schach zu halten, wäre es sinnvoll, da, wo es geht, überfüllten Wartezimmern entgegenzusteuern.
Wie, liegt auf der Hand: mithilfe der Telemedizin. Technische Lösungen gäbe es genug – die meisten Hersteller von Praxissoftware bieten sichere Videokonferenz-Tools an. Jetzt liegt es an Ärzten, diese Lösungen auch tatsächlich wahrzunehmen. Das ausschließliche Fernbehandlungsverbot ist längst gefallen. Was sollten Ärzte also tun? Patienten gezielt informieren, dass sie – soweit sinnvoll – auch Videosprechstunden anbieten.
Noch ein Blick auf Praxisteams. Nicht alles spielt sich vor Ort ab. Videosprechstunden sind vom Home-Office aus möglich. Chefs haben aber auch die Möglichkeit, einzelne MFA aus ihrer Praxis zu verbannen. Rechnungen schreiben, die Quartalabrechnung machen oder Bestellungen ausführen, geht auch in den Corona-sicheren eigenen vier Wänden. Viele Hersteller von Arztsoftware haben sichere Lösungen für den Fernzugriff entwickelt.
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