Wegen seiner euphorisierenden und angstlösenden Wirkung ist das Analgetikum Tilidin bei Jugendlichen beliebt. Auch in Arztpraxen ist es immer häufiger Thema, denn die Verschreibungen nehmen deutlich zu.
Jugendlichen wird immer häufiger das Analgetikum Tilidin verschrieben. Das zeigen Recherchen eines NDR-Magazins. Die Journalisten werteten die Daten der gesetzlichen Krankenkassen aus und daraus geht hervor: 2017 waren es noch 100.000 definierte Tagesdosen, 2019 dann mehr als drei Millionen in der Altersgruppe der 15- bis 20-Jährigen.
Tilidin ist ein rezeptpflichtiger Schmerzstiller aus der Gruppe der Opioide, der zur Behandlung starker und sehr starker Schmerzen, etwa bei Krebspatienten oder nach schweren Operationen, eingesetzt wird. Seine analgetische Potenz, ein Maß für die Wirksamkeit der schmerzstillenden Wirkung, liegt bei 0,1 bis 0,2 im Vergleich zur Referenzsubstanz Morphin.
Was die Daten der Krankenkassen auch zeigen: Fast drei Viertel des Tilidins in der Altersgruppe 15 bis 20 Jahre wird Jungen bzw. Männern verschrieben. Mit diesen Zahlen konfrontierten die Journalisten auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Dort hieß es, die zuständige Bundesopiumstelle des BfArM wolle nun „weitere Erkenntnisse mit Blick auf einen Anstieg der Verordnungen gewinnen“. Bei „entsprechender Datenlage“ soll sich der Sachverständigenausschuss für Betäubungsmittel mit Tilidin in Tablettenform befassen.
In Tropfenform fällt Tilidin bereits seit 2013 unter das Betäubungsmittelgesetz. Die Tropfen machen inzwischen nur noch vier Prozent der Verschreibungen aus – wohl eine Folge der strengeren Kontrollen.
Tilidin wird hauptsächlich in Kombination mit Naloxon in Form peroral eingenommener Tropfen und Retardtabletten verwendet (z.B. Valoron®). Es fällt in dieser Kombination in Deutschland nicht unter die BtMVV, da durch die Kombination der beiden Substanzen dem Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial vorgebeugt wird. Seit Januar 2013 unterliegen Tilidinpräparate mit sofortiger Wirkstofffreisetzung der BtMVV, weiterhin BtM-frei bleiben retardierte Formulierungen.
Die Journalisten des NDR fragten Prof. Gerd Glaeske von der Uni Bremen nach seiner Einschätzung bezüglich der steigenden Verordnungen. Er war damals Mitglied des Sachverständigen-Ausschusses, der aufgrund des Missbrauchspotenzials empfohlen hatte, die Tropfen strenger und kontrollierter abzugeben. Im Fall der Retard-Tabletten rät er erneut, zu prüfen, ob die Tabletten auch unter das Betäubungsmittelgesetz fallen sollten.
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