Wie ist es mit dem Sport während der Schwangerschaft? Das wollen viele meiner Patientinnen wissen. Sich auch in dieser Phase zu bewegen, ist wichtig. Doch es müssen einige Punkte beachtet werden.
Wir verbringen einen Großteil unserer Zeit in sitzender Tätigkeit: am Schreibtisch während der Arbeitszeit, zu Hause am Computer oder vor dem Fernseher, unterwegs im Auto, Bus oder in der Bahn. Doch der Benefit durch körperliche Aktivität im Alltag und Sport in der Freizeit ist für Körper und Psyche klar belegt. Wer regelmäßig Sport treibt, kennt das Phänomen: Der Stress fällt ab, man bekommt den Kopf wieder frei, erlebt Glücksgefühle und beugt Gewichtsproblemen vor. Sportlich aktive Frauen möchten meist auch in der Schwangerschaft nicht auf Sport verzichten, weshalb dieser Punkt in der Schwangerenberatung oft ein Thema ist.
Körperliche Aktivität und moderater Sport ist in einer komplikationslosen Schwangerschaft ausdrücklich medizinisch erwünscht, da es der Gesundheit von Mutter und Kind dient. Deshalb ist es nötig, Schwangere, die sich Sorgen um eine mögliche Gefährdung der Schwangerschaft durch Sport machen, zu beruhigen. „Es ist wichtig, die Sorgen und Ängste werdender Eltern ernst zu nehmen. Fachkräfte sollten darüber informieren, dass tägliche Bewegung bei einer normalen, gesunden Schwangerschaft ausdrücklich wünschenswert und sicher ist“, sagt Ernährungs- und Sportmedizinerin Prof. Christine Graf, Mitautorin der nationalen Handlungsempfehlungen zu Ernährung und Lebensstil vor und in der Schwangerschaft.
Daher empfiehlt das Netzwerk Gesund ins Leben, dessen Mitglied auch der Berufsverband der Frauenärzte ist, dass Schwangere an mindestens fünf Tagen pro Woche jeweils 30 Minuten in Bewegung sein sollen. Damit sind körperliche Aktivitäten im Alltag, aber auch Sport gemeint. Sport sollte moderat ausgeführt werden, wobei gesunde Frauen, die bereits vor der Schwangerschaft sportlich aktiv waren, ihre bisherigen Aktivitäten in der Regel fortführen können. Ausgenommen sind Risikoschwangerschaften oder solche Sportarten, die in der Schwangerschaft eher ungünstig sind.
„Adipösen Schwangeren soll empfohlen werden, sich in der Schwangerschaft vermehrt und regelmäßig zu bewegen und die Ernährung nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung umzustellen“, so die aktuelle S3-Leitlinie Adipositas und Schwangerschaft.
Aber auch bei Schwangeren mit normalem BMI senkt Sport das Risiko für einen möglichen Gestationsdiabetes und beugt einer übermäßigen Gewichtszunahme vor. Das wiederum vermindert Komplikationen wie eine Präeklampsie und senkt die Kaiserschnittrate. So konnte in einer Metaanalyse mit 7.278 Patinnen aus 44 Studien gezeigt werden, dass es durch Lebensstilinterventionen zu einer Reduktion des Risikos für Präeklampsie, Frühgeburtlichkeit und intrauterinen Fruchttod kam. Weiterhin ist der psychosoziale Benefit durch Sport mit weniger Stress, Ängsten und Depressionen groß. Frauen, die während der Schwangerschaft körperlich aktiv sind, setzen dies auch oft postpartal fort. Das begünstigt die Stimmungslage, erhöht die kardiorespiratorische Fitness, führt zu rascherer Erholung und schnellerer Gewichtsabnahme.
Beschwerden wie Rückenschmerzen und Inkontinenz werden seltener geschildert. Aktivitäten im Freien fördern die Vitamin-D-Versorgung. Um individuelle Überanstrengung zu vermeiden, ist der sogenannte Talk-Test hilfreich: Während der Aktivität sollte eine normale Unterhaltung weiterhin möglich sein.
Bei diesen Warnsignalen sollte der Metaanalyse zufoge zunächst eine zeitnahe Abklärung erfolgen und auf sportliche Aktivitäten verzichtet werden:
Als relative Kontraindikationen, die individuell entschieden werden müssen, zählen:
Unter eine absolute Kontraindikation fallen:
Günstige Sportarten sind Walken, Wandern, Radfahren in der Ebene, Schwimmen, Aquafitness, Schwangerschaftsyoga und Pilates. Ein aerobes Ausdauertraining sollte moderat durchgeführt werden. Unter professioneller Anleitung und angepasster Intensität eignet sich auch Low-Impact-Aerobic. Vermieden werden sollten Übungen in bestimmten Positionen, wie beispielsweise Rückenlage. Laufsport oder Rückschlagsportarten wie etwa Tennis, die bereits vor der Schwangerschaft ausgeführt wurden, dürfen unter Berücksichtigung der Vorerfahrung und des Trainingszustandes, moderat beibehalten werden. Prinzipiell gilt, dass bei allen Sportarten die physiologischen und morphologischen Veränderungen der Schwangerschaft berücksichtigt werden müssen.
Für die Schwangere neue Sportarten mit ungewohnten Bewegungsabläufen, sollten lieber auf die Zeit nach der Geburt verschoben werden. Prinzipiell gelten Sportarten mit hohem Sturz- und Verletzungsrisiko als ungeeignet. Durch hormonelle Veränderungen in der Schwangerschaft lockern sich Sehnen und Bänder, deshalb sollen schnelle und ruckartige Bewegungen vermieden werden. Auch Kontaktsportarten gelten als ungünstig.
Aufgrund eines erhöhten Unfallrisikos nicht geeignete Sportarten in der Schwangerschaft sind:
Für die Schwangerschaft ungünstige Höhen- und Druckunterschiede sind gegeben im:
Sportarten mit Körperkontakt sind generell zu unterlassen:
Belastungsgrenzen können ungünstig überschritten werden bei:
In der Schwangerenbetreuung nimmt die Anzahl der Patientinnen mit fehlender oder geringer Deutschkenntnis zu. Für diese Beratungssituationen hat das Netzwerk Gesund ins Leben eine Infobroschüre aus Bildern, das „Heft ohne Worte“, entworfen. Darin werden nützliche Empfehlungen zu Bewegung und Ernährung in der Schwangerschaft gegeben. Geeignet ist es auch für Schwangere mit geringer Lesekompetenz und kann hier bezogen werden.
Körperliche Aktivität und adäquate Sportarten sind in einer unproblematischen Schwangerschaft unbedingt zu befürworten. Dadurch können ernste Schwangerschaftskomplikationen vermindert und das psychosoziale Wohlbefinden vergrößert werden. Bei Warnsignalen ist Vorsicht geboten und Kontraindikationen sind zu berücksichtigen. Manche Sportarten, wie Walken oder Schwimmen, sind besonders für Schwangere geeignet. Andere, wie Reiten, Tauchen oder Mannschaftssportarten, sind aufgrund des erhöhten Verletzungsrisikos oder ungünstiger Umgebungsbedingungen eher zu meiden. Für Patientinnen, die über wenig Deutschkenntnisse oder mangelnde Lesekompetenz verfügen, gibt es einen Schwangerschaftsratgeber ohne Worte.
Wer regelmäßig Sport treibt, kennt die Vorteile von körperlicher Fitness und die damit verbundenen Glücksgefühle. Das können auch gesunde Schwangere mit einem unproblematischen Verlauf erleben.
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