Der PSA-Wert zur Früherkennung ist stark umstritten. Jetzt wird ein neuer Urin-Test angepriesen, der auch noch die Aggressivität des Tumors bestimmen soll.
Das Prostatakarzinom (PCa) ist inzwischen in Deutschland das häufigste Karzinom des Mannes mit einer 10-Jahres-Prävalenz von knapp einer halben Million Betroffener und einer Neuerkrankungsrate von fast 60.000 im Jahr 2016.
Seit vielen Jahren beruht die Früherkennung auf der digital-rektalen Untersuchung und dem PSA-Wert. Letzterer ist als Screeningmethode weit verbreitet, aber auch hoch umstritten, da ein erhöhter PSA-Wert zu vermehrten Biopsien mit nicht unerheblicher Morbidität und nach einer Tumor-Diagnose zur Übertherapie führen kann.
Daher wird in den letzten Jahren auch bei biopsienaiven Patienten zunehmend ein multiparametrisches MRT der Prostata veranlasst, um eine unnötige Biopsie zu vermeiden. Allerdings muss beachtet werden, dass das MRT in ca. 10-16 % ein signifikantes Karzinom übersieht.
Ein valider Test mit einer hohen Sensitivität und Spezifität zur Früherkennung eines Prostatakarzinoms und noch dazu einer Einschätzung der Aggressivität eines ggf. bestehenden Tumors wäre für Patienten und Ärzte gleichermaßen wünschenswert und für die entwickelnde Firma sehr gewinnbringend.
In den letzten Jahren wurden solche Tests auf Kongressen immer wieder angekündigt, die meisten schafften es nicht bis zur Marktreife. Keiner dieser Tests hat den PSA-Wert ablösen können.
Seit Jahren auf dem Markt erhältlich ist lediglich ein urinbasierter Test, der PCA3 nachweist und einen weiteren Hinweis auf das Vorliegen eines Prostatakarzinoms geben kann, aber keinen Eingang in die deutschen Leitlinien gefunden hat.
Ein Artikel in der Zeitschrift Forbes preist einen neuen Prostatakarzinom-Früherkennungstest aus dem Urin an, der noch zusätzlich die Aggressivität eines möglicherweise bestehenden Tumors bestimmt. Darin wird der Sentinel-Test der Firma miR Scientific, der Ende des Jahres auf den Markt kommen soll, sehr marktorientiert als „liquid biopsie urine test for prostate cancer“ vorgestellt.
Dass die Autorin dann aber den Vergleich des zeitlichen Ablaufs vom Erhalt des Ergebnisses eines Urintests (7 Tage) mit dem Ablauf eines PCA-Verdachts bis zur Biopsie (hier 240 Tage) vergleicht, hat sicher nichts mehr mit objektivem Journalismus zu tun.
Und auch Ihre Einschätzung, dass der Test einen Rückgang der Prostatabiopsien um 80 % möglich machen kann, ist durch nichts zu belegen. Was aber ist nun dran an dem Test?
Exosomen sind am Abbau von RNA beteiligt und enthalten daher nicht nur Proteine, sondern auch RNA-Anteile. Da sie von vielen Zellen produziert werden, erscheinen sie auch im Urin. Inzwischen forscht man daran, Exosomenprofile bestimmten Krankheiten zuzuordnen.
In der Originalveröffentlichung wird beschrieben, dass man zunächst in Urin-Proben von 235 Teilnehmern bestimmte sncRNA (Nichtcodierende RNA) gesucht und klassifiziert hat. Hieraus ergaben sich 3 unabhängige Test. Diese unterschieden sich so:
Die Idee: Patienten, die für eine Aktive Überwachung geeignet sind, von denen abzugrenzen, die eine Intervention benötigen. Das Ergebnis:
Validiert und optimiert wurden die Tests dann an Urinproben von 1.436 Männern, wobei die Urinproben nur teilweise prospektiv präbioptisch abgegeben wurden. Die Proben wurden mit Histologien aus Prostatabiopsien abgeglichen. PSA-Werte wurden nur für die Tumorpatienten, nicht aber für die Biopsie-negativen Patienten angegeben.
Die vorgelegten Zahlen sind gut und gehen von einer Sensitivität von 94 % und einer Spezifität von 92 % für die Frage PCa ja oder nein aus. Ähnlich hoch liegen die Zahlen für die Unterscheidung zwischen high-grade und low-grade Tumoren.
Ob sich die Hoffnung der Test-Hersteller, Prostatakarzinome nicht nur zu diagnostizieren, sondern auch zu klassifizieren und zu monitoren, umsetzen lässt, müssen weitere Untersuchungen und der klinische Alltag zeigen. Zumindest der Name „Sentinel-Test“ ist hervorragend gewählt.
Zunächst sollte der Test an weiteren Kohorten validiert werden und auch mit PSA-Werten abgeglichen werden, da diese im klinischen Alltag der „Einstieg“ in weitere Abklärung und Diagnose eines Prostatakarzinoms sind.
Schwierigkeiten bereitet hier oft die Unterscheidung Prostatitis oder Prostatakarzinom. Kann der Test eine solche Unterscheidung treffen? Zumal ein Patient auch beides haben kann. Die Autoren geben selbst zu bedenken, dass die Histologien von Prostatabiopsien nicht immer der endgültigen Histologie entsprechen, hier wäre ein Abgleich mit OP-Präparaten erstrebenswert.
Sollte der Test auf den Markt kommen, wird er zunächst sicher erstmal als „zusätzliche Information“ gewertet. Hier wird die Verfügbarkeit und die Kosten-Nutzen-Relation eine entscheidende Rolle spielen und nur, wenn er im klinischen Alltag eine deutliche Verbesserung gegenüber der Aussagekraft der Kombination digitaler Untersuchung/PSA und ggf MRT zutage tritt, wird sich der Test etablieren können.
Und jeder kann sich selbst die Frage stellen, ob er, aufgrund eines Urintests, ohne Prostatabiopsie, einer Aktiven Überwachung vertrauen würde, wie es die Autoren suggerieren.
Bildquelle: Charles "Duck" Unitas/Unsplash