Apotheken dürfen den Botendienst abrechnen, aber sie tun es anscheinend nicht. Auf den ersten Blick erscheint das unlogisch, aber es lohnt sich, genauer hinzusehen.
Inmitten der Coronakrise gab es auf einmal einen Bonus, mit dem die Apothekenmitarbeiter nicht gerechnet hatten: eine Pauschale von 5 Euro plus Mehrwertsteuer für jeden geleisteten Botendienst.
Dieser kann einmal täglich für jeden Haushalt auf GKV- und PKV-Rezepten in Rechnung gestellt werden, der mit Arzneimitteln beliefert wird. Ausgenommen sind hier die Hilfsmittel, was für viele nicht ganz nachvollziehbar ist, denn diese werden in den meisten Fällen ebenso dringend benötigt.
Kürzlich hat die Pharmazeutische Zeitung eine Umfrage beim Informationsdienstleister Marpinion gestartet, um zu erfahren, wie häufig die Botendienstpauschale von den Apotheken in Anspruch genommen wird, und fand Erstaunliches heraus. Viele Apotheken rechnen ihn gar nicht ab. Sie haben zwar ein erhöhtes Botenaufkommen seit der Pandemie, machen das aber ganz bewusst auf eigene Kosten.
Auch die Zahlen der ABDA zeigen, dass weit mehr Botendienste gemacht als tatsächlich abgerechnet werden. Im Jahresbericht (Link führt zum Bericht der ABDA als PDF) ist von 250.000 am Tag die Rede.
Doch warum reagieren die Apothekenmitarbeiter derart zurückhaltend auf das Angebot, sich finanziell beim Ausliefern unterstützen zu lassen?
Viele Apotheker und PTAs sind durch die Erfahrungen der letzten Jahre mit den Abrechnungszentren und Retaxationen der Krankenkassen misstrauisch geworden. Sie befürchten, dass ihnen die Botendienstrezepte in ein paar Monaten doch noch „um die Ohren fliegen“ und dabei geht es nicht nur um den Betrag von 5 Euro, sondern darum, dass gleich die komplette Erstattung für die Medikamente in Rechnung gestellt wird. Sogenannte „Nullretaxen“ haben den Apothekenmitarbeitern das Fürchten gelehrt.
Nach meiner internen und nicht repräsentativen Befragung in PTA-Kreisen treten noch weitere Bedenken auf. Speziell bei der Abrechnung mit den Privatkassen tun sich die Apothekenmitarbeiter schwer, denn die Kunden müssen die Gebühr bis zur Erstattung erstmal selbst auslegen.
Das kommt häufig nicht gut an, und den Apotheken wird Geldmacherei für eine Dienstleistung vorgeworfen, die bis vor kurzem ja noch als kostenloser Service angeboten wurde. Um dieser Diskussion aus dem Weg zu gehen, werden die Privatversicherten häufig gar nicht erst mit der neuen Gebühr konfrontiert.
Ebenso gibt es bei der Abrechnung mit den Gesetzlichen Krankenkassen Bedenken. Viele wundern sich darüber, dass die Apotheken plötzlich für etwas entlohnt werden, das sie auch kostenlos geleistet hätten. Das weckt Misstrauen, da üblicherweise um jegliche Bonuszahlungen oder Gebührenerhöhungen lange gerungen werden muss.
Mancher befürchtet, dass Herr Spahn auf diese Weise die Versandapotheken pushen möchte, nach dem Motto: „Schaut mal, wie dringend die deutsche Bevölkerung auf die Lieferung von Medikamenten angewiesen ist.“ Andere sorgen sich darüber, dass die Daten der Patienten, die sich etwas liefern lassen, von den Krankenkassen direkt an Versandapotheken weitergegeben würden.
Und mancherorts graben Apotheken einander das Wasser ab: Ich hörte davon, dass Ärzte ihre Privatpatienten darauf hinweisen, welche Apotheke die Gebühr kassiert und welche nicht. Dadurch wandert die begehrte Klientel dann dorthin ab, wo es billiger für sie zu sein scheint. Da wird die Zurückhaltung bei der Abrechnung der Botendienste dann doch allzu verständlich.
Wie es mit der Vergütung weitergeht, ist derzeit noch unklar. Im Krankenhauszukunftsgesetz, wie zunächst geplant, wurde das dauerhafte Botendienst-Honorar nicht umgesetzt. Kurz darauf stellte Spahn allerdings klar, dass er weiterhin eine Entfristung der Botendienst-Vergütung plant.
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