Ein Patient leidet unter einem Immundefekt, der normalerweise unbehandelt innerhalb der ersten Lebensjahre zum Tode führt. Aufgrund eines genetischen Defekts kann er keine T-Zellen herstellen. Eine einzelne Immunstammzelle rettete ihm das Leben.
Eine einzige Immunstammzelle kann die Aufgabe von hunderttausenden Stammzellen übernehmen und einen wesentlichen Teil des menschlichen Immunsystems bilden. Anhand eines äußerst ungewöhnlichen Patientenfalls zeigen das jetzt Teams des Universitätsklinikums Freiburg und Kollegen aus Freiburg, Ulm und Frankfurt. Der heute 18-jährige Patient kann aufgrund eines genetischen Defekts eigentlich selbst keine T-Zellen herstellen.
Doch in einer einzigen Immunstammzelle scheint es früh zu einer extrem seltenen zufälligen Korrektur des Fehlers (somatic gene reversion) gekommen zu sein. Die Folge: Nachfolgezellen dieser einen Vorläuferzelle entwickeln sich normal und führen auch langfristig alle erforderlichen Immunfunktionen wie die Zerstörung von Krebszellen oder virusinfizierten Zellen aus. Diese Erkenntnisse könnten unter anderem helfen, den Erfolg von Stammzelltransplantationen bei Krebserkrankungen oder Immundefekten deutlich zu steigern. Die Studie erschien kürzlich im Fachmagazin EBioMedicine der Lancet-Gruppe.
„Wir waren äußerst überrascht, welches Potenzial in einer einzigen Immunstammzelle steckt“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Stephan Ehl, Ärztlicher Direktor des Instituts für Chronische Immundefizienz am Universitätsklinikum Freiburg. „Besonders wichtig ist, dass das Immunsystem bei unserem Patienten nicht im Laufe der Zeit ermüdet ist und die gebildeten Immunzellen trotz ihres gemeinsamen Ursprungs aus nur einer Immunstammzelle sehr unterschiedlich sind. Das ist für eine wirksame Immunabwehr entscheidend.“
Der von Ehl und seinem Team bereits seit 13 Jahren begleitete Patient besitzt einen Genfehler, der eigentlich zu einem sogenannten schweren kombinierten Immundefekt (SCID) führt. Betroffene können keine T-Lymphozyten herstellen, weshalb selbst ansonsten harmlose Infekte für sie oft schwerwiegende Folgen haben. Unbehandelt führt SCID meist innerhalb der ersten beiden Lebensjahre zum Tode. SCID kann nur durch eine Knochenmarkstransplantation geheilt werden.
Bei dem Freiburger Patienten war dies nicht nötig. Er erhält lediglich unterstützend Antikörper und ist ansonsten gesund. „Diese zufällige Korrektur des Genfehlers ist bei einer so schweren Krankheit ein kleines Wunder“, sagt Ehl. „Gleichzeitig zeigt sie uns, dass es ausreichen könnte, sehr wenige Zellen im Labor gentherapeutisch zu reparieren oder als Knochenmarksspende zu übertragen.“ Die Forscher erhoffen sich davon vereinfachte und sicherere Therapieverfahren.
Das Team um den Immunologen Ehl beschäftigt sich viel mit solchen ‚grenzwertigen’ Immunsystemen. „Wir wollen verstehen, wie viel T-Zell-Immunität genug ist, um langfristig ein gesundes Leben zu führen. Damit können wir im besten Fall besser einschätzen, welche Patienten frühzeitig ein neues Immunsystem in Form einer Stammzelltransplantation benötigen“, so Ehl.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Freiburg.
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